Rieser Nachrichten

Am anderen Ende der Welt den Beruf gefunden

Schäferin Simone Prinzing gibt einen Einblick in ihren Alltag. Sie spricht über Gefahren und Sorgen

- VON LEONHARD MÜLLNER

Harburg Die Sonne scheint über der Harburg. Von Weitem hört man das Blöken der Schafe. Wenn man sich den Lauten nähert, stößt man auf eine circa 500 köpfige Schafherde, bestehend aus Mutterscha­fen und ihren Lämmern. Unweit davon entfernt steht Schäferin Simone Prinzing, ganz klassisch gekleidet mit Schäferhut und zwei Altdeutsch­en Schäferhun­den, gestützt auf ihren Stab. Mit dabei ist auch ihr 18 Monate alter Sohn Lukas. Prinzing ist mit Herzblut und Leidenscha­ft dabei, in einem Beruf, in dem man so gut wie keinen Urlaub hat, in dem es keine Seltenheit ist, 16 Stunden am Tag zu arbeiten, gerade wenn die Schafe lammen. „Da kann man am besten gleich im Stall übernachte­n. Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass ich nie einen Burnout bekommen werde“, sagt Prinzing. Ihre Eltern sind Landwirte. Dieser Beruf hat ihr aber nicht besonders zugesagt. Auf den Beruf des Schäfers ist sie in Australien gekommen, wohin sie gereist ist, nachdem sie das Gymnasium vorzeitig verließ. Die Schäferei in Australien sei aber nicht mit der in Deutschlan­d zu vergleiche­n, so die Hirtin. 2013 hat sie ihren Meister gemacht.

Auf dem Weg zum Oberen Bock kreuzt die Herde eine Straße, an der Autos riskant und schnell vorbei fahren. Nur wenige bremsen ab und halten Abstand zur Herde. „Es gibt keine offizielle­n Hinweissch­ilder, dass hier Schafe den Weg kreuzen, wie es bei Kühen der Fall ist“, bemängelt die 32-Jährige. „Altschafe interessie­ren sich nicht so sehr für die Straße, aber die Lämmer erkun- sie gerne. Außerdem lässt es sich super auf der glatten, geraden Strecke rennen“, erzählt die Schäferin. Aber die Hunde haben alles im Griff. Schert ein Schaf aus, wird es sofort von Ben oder Karo in den Hintern gezwickt und somit zurück in die Herde getrieben.

Kaum haben die Schafe die Straße überquert, taucht das nächste Problem auf: Wanderer, die mit ihrem kleinen Hund viel zu nah an die Herde herankomme­n. „Viele denken nicht daran, dass Schafe Fluchttier­e sind und gerade kleine Hunde Angst vor den körperlich überlegend­en Tieren haben und sie deshalb anbellen. Meine Hunde mögen das nicht, sie sehen sie als Eindringli­nge und als Gefahr für die Herde. Es kann auch mal passieren, dass die Schafe den Passanten folgen, da sie sie aufgrund des Hundes für den Schäfer halten“, so die gebürtige Heidenheim­erin. Das passiert auch an diesem Tag, aber das ist nicht weiter tragisch, da das Gespann in die gleiche Richtung müssen, wie die Schaulusti­gen.

Prinzing kennt ihre Schafe sehr gut. „Das Schwarze da“, sie zeigt auf eines der insgesamt zwei schwarzen Schafe in der Herde, „ist sehr clever und es klaut. Es hat immer ein Auge auf den Hund und wenn er mal nicht in seiner Nähe ist, oder es nicht beachtet, bricht es kurz aus, schnappt sich beispielsw­eise etwas vom Feld und bevor der Hund es mitkriegt, ist es wieder in der Herde.“

Langsam fängt der Sohn an zu quengeln, denn er ist müde. Kein Problem, dafür hat die Alleinerzi­ehende immer ein Tragetuch dabei. Hinein kommt der Bub und wird auf den Rücken geschnallt. Kurz darauf ist er eingeschla­fen und lässt sich auch von den lauten Zurufen der Mutter zu den Schafen und Hunden nicht weiter stören.

„Der Wolf macht mir Sorge“, fängt Prinzing auf einmal mit ernster Stimme an. Es wird darüber gesprochen, dass der Wolf früher oder später auch in Nordschwab­en auftauchen wird. In Ostbayern und im Allgäu ist er in den vergangene­n Jahren bereits gesichtet worden. „Sollte ein Schaf vom Wolf gerissen werden, ist es sehr aufwendig, eine Entschädig­ung dafür zu bekommen. Man muss eine Probe nach Berlin einschicke­n, wo ein DNA-Test gemacht wird, welcher bestätigt, dass es von einem Wolf gerissen wurde. Aber Folgeschäd­en werden nicht entschädig­t“, so die Schäferin.

Ein Folgeschad­en wäre zum Beiden spiel der Abgang eines Schafes aufgrund von enormem Stress. Wanderschä­ferei ist, wegen der Verkehrsge­fahr, in der Region kaum noch möglich. Ein Wanderschä­fer zieht nomadisch mit seiner Herde durch das offene Land. Die meisten Schäfer im Landkreis aber treiben ihre Herde zu bestimmten Plätzen und am Abend zurück in ihren Pferch. Der Beruf des Schäfers beschränkt sich nicht nur darauf, Produzent von Schafsflei­sch und -wolle zu sein. Die Preise dafür sind in den letzten Jahren stark gefallen. Der Verkauf von Schurwolle decke gerade einmal die Kosten für den Scherer. Pro Schaf sind es etwa 50 Euro.

Lammfleisc­h werde, je nach Nachfrage, zwischen zwei und 2,70 Euro pro Kilogramm verkauft, berichtet Prinzing. Ein Schäfer ist zudem Landschaft­spfleger, denn würde ein Gebiet nicht von den Tieren beweidet werden, würde es innerhalb kürzester Zeit mit Bäumen und Sträuchern zuwachsen. Für diese Aufgabe bekommen die Schäfer Mittel von der EU. Doch Simone Prinzing geht es nicht nur um den wirtschaft­lichen Nutzen, so hat sie ihren Hütehund schon des Öfteren für mehrere 1000 Euro operieren lassen. „Er hat ein künstliche­s Hüftgelenk. Und ansonsten passt er nicht sonderlich gut auf sich auf. Er ist mal in einen Ast gesprungen, hat daraufhin sehr viel Blut verloren und wurde mehrere Stunden operiert“, erzählt sie. Auch einen Ziegenbock hat sie, den sie mit der Flasche aufgezogen hat. „Der hat auch keinen wirtschaft­lichen Nutzen, aber er gehört halt dazu“, erzählt die Schäferin mit ihrem schwäbisch­en Dialekt begeistert.

Schäfer stehen aufgrund ihrer täglichen Arbeit im Freien viel in der Öffentlich­keit und werden von Passanten manchmal genaustens beobachtet. Deshalb hatte die Hirtin schon viel Ärger, wegen Menschen, die sich nicht auskennen und den Tierschutz alarmiert haben. Schafe sind sehr robuste Tiere. Durch ihre dicke Wolle sind sie sowohl im Sommer vor Hitze, als auch im Winter vor großer Kälte geschützt. Wolle hat eine isolierend­e Wirkung. Auch zu trinken brauchen sie nicht viel, zu Fressen aber schon. Prinzing sagt: „Das Futterange­bot hat sich verändert.

Als die Maschinen noch nicht so effektiv waren, haben wir die Schafe über die abgeerntet­en Felder schicken können. Heutzutage finden sie aber nur noch die Stummel der Pflanzen und ab und zu mal einen Maiskolben.“Schafe fressen acht Stunden am Tag, käuen danach wieder. Nach drei Stunden ist die große Gruppe wieder an den Wassertrög­en für die Schafe angekommen.

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Fotos: Leonhard Müllner Mit ihren 500 Schafen, zwei Schäferhun­den und ihrem 18 Monate alten Sohn Sohn Lukas ist Simone Prinzing in der Region unterwegs.
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Simone Prinzing

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