Als es in Speckbrodi ein Gasthaus gab
Ein Haus in dem kleinen Ort trägt den Namen Weilerwirt. Es steht seit vielen Jahren
Speckbrodi Hühner gackern aus verschiedenen Richtungen, ein Hund bellt, und auf der Straße begegnet einem allenfalls ein Traktor in der ländlichen Idylle des Weilers Speckbrodi. Denn Durchgangsverkehr gibt es keinen in dem kleinen Ort, der gerade mal aus zehn Anwesen besteht. Ihre Anzahl ist über einen langen Zeitraum nahezu gleich geblieben.
Auch im 19. Jahrhundert gab es neun Höfe, einer davon trägt aus dieser Zeit den Hausnamen „Weilerwirt“. Dieser bezieht sich auf den Schuhmacher Leonhard Wüst, für den belegt ist, dass er ab 1882 auch Wirt war, wie Gerhard Beck in seiner Ortschronik von Holzkirchen schreibt. Lange bestand die Wirtschaft allerdings nicht, denn bereits neun Jahre später wurde das Anwesen verkauft. Und wiederholte Verkäufe prägten bis in die jüngste Vergangenheit die Geschichte der ehemaligen Sölde. Doch eine fehlende Familienerbfolge und wohl auch ein an Kapital bei den jeweiligen Eigentümern erwiesen sich für das Gebäude letztlich als Rettung.
Während die meisten Häuser in Speckbrodi durch einen Neubau ersetzt wurden, steht die einstige Weilerwirtschaft noch wie vor 150 Jahren. Lediglich zwei Fenster auf der Giebelseite hat das schmale Wohnstallhaus, wo sich im südlichen Teil die kleine Wirtsstube befand. Seit 18 Jahren ist nun Ingrid Merz Eigentümerin. Sie hat nicht nur das Anwesen behutsam hergerichtet, sondern fühle sich auch in die Dorfgemeinschaft integriert, auch wenn sie als Nicht-Einheimische wenig über die Vergangenheit weiß. Umso genauer kennt sich Gerda Fuchs im Ort aus, denn sie war als Kind in den 1960er Jahren in jedem Haus daheim. Auch an die Nummer 66 erinnert sie sich und an seine damaligen Bewohner, die die Wirtschaft als Wohnzimmer benutzten, an die kleine Küche hinter der Wirtschaft, an das Schlafzimmer links der Haustür und den anschließenden Ziegenstall.
Eine Gastwirtschaft hat es seit- dem nicht mehr gegeben, doch Sozialkontakte werden auf viele andere Weise gepflegt. Rosa Wagner, die Mutter von Gerda Fuchs, ist mit ihren 92 Jahren die älteste Bewohnerin Speckbrodis und vermittelt einen lebendigen Eindruck davon, was das Leben in einem Ort ausmacht, der so klein ist, dass er zur Großfamilie wird.
Die älteren Einwohner treffen sich regelmäßig
So treffen sich die älteren Einwohner regelmäßig, um zusammen zu spielen, zu singen oder Gedichte zu lesen. Auch Silvester wird so zusammen gefeiert. „Bei Geburtstagen im Ort kommt Jung und Alt zum Feiern zusammen, vom Kinderwagen bis zum Rollator“, bestätigen Mutter und Tochter die Nähe zwischen den Familien. Das Aushelfen mit Backzutaten war immer selbstverständlich, damit niemand erst zum Krämerladen nach Holzkirchen musste. Heute hält immerhin ein Bäckerauto im Ort und an zwei Höfen werben Schilder für die DirektMangel vermarktung verschiedener Produkte. Doch auch für den Gang zu Gottesdienst oder Seniorenkreis wird vorher angefragt, wer mitkommt.
Und so fällt der Ort Speckbrodi nicht nur durch seinen Namen auf. Jener Name, der den gebürtigen Rieser Regisseur Aaron Lehmann dazu verleitete, ihn in seinen Filmen zu verewigen. Jener Name der weder etwas mit einem Grundnahrungsmittel, noch mit einem herzhaften Belag zu tun hat, sondern durch Ableitungen aus dem Mittelhochdeutschen wohl lediglich einen befestigten Übergang über ein feuchtes Gelände bezeichnet. Jener Name, für den auch die „Weilamer“, wie sich die Bewohner Speckbrodis nennen, ihre eigene Geschichte haben, in der der Bruckmeier sein Rad beim Geflügelmarkt in Nördlingen abstellt, sich ausweisen soll und gegenüber dem Polizisten, der sich auf den Arm genommen fühlt, erklärt: „Erst kommt der Speck, dann kommt das Brot und dann komm i.“