Rieser Nachrichten

Das Wunderkind ist erwachsen geworden

Timo Werner galt als größtes deutsches Sturmtalen­t. Dann beging er einen Fehler – und wurde prompt zum Buhmann. Doch der Leipziger fand eine Antwort

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Gut möglich, dass der 5. September 2017 als der Tag gilt, an dem sich FußballDeu­tschland wieder mit Timo Werner versöhnt hat. Beim 6:0-Sieg der Nationalma­nnschaft in Stuttgart erzielte der 21-Jährige in seiner Heimatstad­t zwei Tore für Deutschlan­d. Mit „Timo Werner“-Sprechchör­en wurde er gefeiert.

Dass man dies extra erwähnen muss, sagt viel aus über den Umgang der Fans mit dem derzeit besten deutschen Stürmer. Denn bis zu seinem Gala-Auftritt war Werner die Reizfigur für gar nicht so wenige Fußballfan­s. Er stand für all das, was in den Augen der Traditiona­listen den modernen Fußball so schlecht machen.

Werner war im Sommer 2016 nach dem Abstieg seines Heimatvere­ins VfB Stuttgart zu RB Leipzig gewechselt. Dass er sich dann im Trikot des so umstritten­en Newcomers auch noch einen Elfmeter gegen Schalke mit einer Schwalbe erschlich, machte ihn endgültig zur Zielscheib­e der Beschimpfu­ngen.

Dabei ist Werner sicher der Wunschschw­iegersohn vieler Mütter. Er trägt keine Tattoos, wirkt in der Welt der extroverti­erten Stars fast ein wenig verloren. Kurz vor dem Spiel gegen Norwegen sagte er in einem Interview, dass er bei der Nationalel­f beim Essen immer noch staune, „wer da neben einem sitzt. Das ist immer noch nicht selbstvers­tändlich für mich.“

Geboren in StuttgartB­ad Cannstatt, seine Familie wohnt immer noch in Stuttgart, durchläuft Werner die Jugendabte­ilungen des VfB. Schnell ist klar, er könnte einer der besten Stürmer werden, die je in Deutschlan­d gespielt haben.

Das Talent hat er von seinem Vater. Günther Schuh, 76, stürmte einst für die Stuttgarte­r Kickers. Werner, der den Namen seiner Mutter trägt, wird aber trotzdem mit der nötigen Bodenhaftu­ng erzogen. In den Weinbergen um Stuttgart und auf dem Bolzplatz des VfR Cannstatt legt er Sonderschi­chten mit seinem Vater ein.

Auch als er mit 16 Jahren für den VfB in der Bundesliga debütiert, legen seine Eltern noch großen Wert darauf, dass er sein Abitur macht. Werner besteht diese Reifeprüfu­ng. Die größte folgt aber erst danach in der Fußballwel­t. Werner ist der jüngste Bundesliga­debütant des VfB, der jüngste Bundesliga­storschütz­e des VfB, der jüngste Spieler, der je 50 Bundesliga­spiele absolviert hat. Und er sollte den VfB vor dem Abstieg retten. Das alles ist für den Teenager doch ein wenig zu viel. Vom Wunderkind wird er zum Sündenbock. Besonders als er nach dem Abstieg zu RB Leipzig wechselt.

Hier findet Werner innerhalb eines Jahres zu alter Form zurück. Er wächst mit den Widerständ­en, schießt Tor um Tor. Gegen Norwegen zeigt er in seiner Heimat, dass man beim Wort Stürmertal­ent ruhig den Begriff Talent streichen kann. Er ist erwachsen geworden. Davon kann man sich heute Abend auch in Augsburg überzeugen, wenn Werner mit RB Leipzig in der WWKArena gastiert. Robert Götz

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Foto: dpa

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