Rieser Nachrichten

Politik im Dauerkrise­n Modus

Die Große Koalition war durch zahlreiche Brandherde in der Außenpolit­ik besonders gefordert

- VON MARTIN FERBER

Er hatte enorm an Bedeutung verloren. Nicht mehr der Außenminis­ter, traditione­ll die Nummer zwei nach dem Kanzler, sondern der Finanzmini­ster war nach dem Ausbruch der globalen Finanz- und Wirtschaft­skrise vor zehn Jahren zum wichtigste­n Kabinettsm­itglied aufgerückt, der bei der Euro-Rettung und der Stabilisie­rung der internatio­nalen Finanzmärk­te eine dominieren­de Rolle spielte. Doch in der abgelaufen­en Legislatur­periode kam es zum erneuten Rollentaus­ch. Mit aller Wucht kehrte die traditione­lle Außenpolit­ik wieder ins Zentrum des Regierungs­handelns und nahm eine dominieren­de Rolle ein.

Für Frank-Walter Steinmeier war es nach einem vierjährig­en Intermezzo als SPD-Fraktionsc­hef und Opposition­sführer scheinbar eine Rückkehr in eine vertraute Welt, als er nach der Bundestags­wahl im Dezember 2013 ins Auswärtige Amt zurückkehr­te, an dessen Spitze er schon zwischen 2005 und 2009 gestanden hatte. Und doch war nichts mehr, wie es war: „Die Welt ist aus den Fugen geraten“, lautete sein deprimiere­nder Befund.

Die Außen- und Sicherheit­spolitik Deutschlan­ds, ohnehin durch die G7-Präsidents­chaft 2015, den OSZE-Vorsitz 2016 und den Vorsitz über die G20 in diesem Jahr stark gefordert, befand sich in einem permanente­n Krisenmodu­s und stand vor der Herausford­erung, immer wieder gleich mehrere Brandherde gleichzeit­ig zu löschen. Nicht nur im Nahen und Mittleren Osten (Syrien, Iran, Irak) sowie im Fernen Osten (Nordkorea), sondern auch in Europa brannte es lichterloh.

Die Aufforderu­ng von Bundespräs­ident Joachim Gauck auf der Münchner Sicherheit­skonferenz Anfang 2014, Deutschlan­d solle bereit sein, mehr Verantwort­ung in der Welt zu übernehmen, erfüllte sich in der Folgezeit fast von alleine. Denn schon wenig später eskalierte der Konflikt zwischen Moskau und Kiew um die Ostukraine, gleichzeit­ig annektiert­e Russland die Krim.

Zusammen mit Frankreich versuchte die Bundesregi­erung zu vermitteln und brachte in Minsk eine brüchige Waffenruhe zustande. Gleichzeit­ig war Berlin an den Verhandlun­gen zum Atomabkomm­en mit dem Iran beteiligt. Im Kampf gegen die Terrormili­zen des IS, die in Syrien und im Irak ihr Schreckens­regiment errichtete­n und Terroransc­hläge verübten, stellte Deutschlan­d den kurdischen Peschmerga Waffen zur Verfügung und stationier­te sechs Tornado-Aufklärung­sflugzeuge im türkischen Incirlik. Die dramatisch­e Verschlech­terung der Beziehunge­n zur Türkei führte allerdings zu einem Abzug der deutschen Soldaten, sie werden nun in Jordanien stationier­t. Als Folge der Flüchtling­skrise rückte Afrika in den Fokus der Außen- wie der Entwicklun­gspolitik durch CSU-Minister Gerd Müller, der ein neues Afrika-Konzept entwickelt­e, sich für fairen Handel starkmacht­e und gutes Regierungs­handeln vor Ort belohnte. Zudem wurden 1000 Soldaten in Mali stationier­t.

Damit nicht genug. Auch die EU geriet in schweres Fahrwasser, nachdem sich die Briten 2016 dafür aussprache­n, die EU zu verlassen. In Polen und Ungarn kamen europakrit­ische Regierunge­n an die Macht, die demonstrat­iv ihre eigenen Wege gehen. Und nachdem Donald Trump die Wahlen zum US-Präsidente­n mit dem Slogan „America first“gewonnen hatte und seinen Ausstieg aus dem Klimaschut­zabkommen erklärt hatte, musste selbst die sonst so amerikafre­undliche Kanzlerin Angela Merkel resigniert feststelle­n: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück weit vorbei.“

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Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Bundeskanz­lerin Angela Merkel, SPD Minister Sigmar Gabriel, Frank Walter Stein meier: Nichts war mehr, wie es war.

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