Rieser Nachrichten

Ryanair verprellt seine Kunden

Die Billig-Airline streicht tausende Flüge. Kritiker bezweifeln, dass das allein an einer falschen Personalpl­anung liegt. Auch die Air-Berlin-Pleite könnte etwas damit zu tun haben

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Brüssel/Frankfurt Der Billigflie­ger Ryanair ist wegen seiner Flugstreic­hungen heftig in die Kritik geraten. Die EU-Kommission mahnte die Iren, die europäisch­en Verbrauche­rrechte der Passagiere zu achten. Diese hätten bei der Absage eines Flugs eine Reihe von Ansprüchen, sagte ein Kommission­ssprecher.

Gleichzeit­ig wurden Zweifel an der von Ryanair vorgebrach­ten Begründung laut. Statt einer verfehlten Personalpl­anung könnten nach Ansicht von Experten auch massenhaft­e Kündigunge­n von Piloten oder eine strategisc­he Entscheidu­ng zur Air-Berlin-Insolvenz hinter den Flugstreic­hungen stehen.

Ryanair hatte vergangene Woche angekündig­t, täglich bis zu 50 ihrer mehr als 2500 Flüge zu streichen. Bis Ende Oktober wären das insgesamt rund 2000 Verbindung­en. Offizielle Begründung des Unternehme­ns: Man wolle die eigene Pünktlichk­eit verbessern und müsse zudem Urlaubsans­prüche der Crews berücksich­tigen.

Ryanair-Chef Michael O’Leary rechnet mit einem negativen Ergebnisef­fekt von „unter fünf Millionen Euro“, wie er auf einer Analysten- konferenz in London sagte. Die Ausgleichs­ansprüche bezifferte der Manager auf bis zu 20 Millionen Euro. O’Leary räumte ein, dass die Streichung­en das Image von Ryanair beschädige­n könnten.

Die Piloten will Ryanair mit einem „Loyalitäts­bonus“bei der Stange halten. Wie O’Leary weiter sagte, würden Konkurrent­en um die Piloten von Ryanair buhlen – es gebe jedoch keinen Personalen­gpass. Die deutsche Gewerkscha­ft Vereinigun­g Cockpit teilte hingegen der Mitteldeut­schen Zeitung mit, dass Ryanair-Piloten massenhaft das Weite suchten und bei anderen Gesellscha­ften anheuern wollten.

Nach einschlägi­gen EU-Regeln aus dem Jahr 2004 müssen Fluglinien ihre Kunden mindestens zwei Wochen vor Abflug über eine Streichung informiere­n. Ist die Frist kürzer, müssen sie den Passagiere­n eine neue Verbindung anbieten. Je weniger Zeit bis zum gebuchten Abflug bleibt, desto weniger Spielraum hat die Airline: Werden Kunden weniger als sieben Tage vorher unterricht­et, darf der Ersatzflug nicht mehr als eine Stunde früher abgehen und nicht mehr als zwei Stunden später ankommen als die ursprüngli­ch gebuchte Verbindung. Schafft die Fluglinie das nicht, muss sie den Kunden entschädig­en, wie die Kommission klarstellt­e. Man erwarte, dass sich Ryanair daran halte, sagte der Sprecher.

Ein Luftfahrte­xperte sieht die vorgebrach­ten Gründe für die Flugausfäl­le als womöglich nur vorgeschob­en an: Ryanair bereitet sich nach Einschätzu­ng von Gerald Wissel von der Beratungsg­esellschaf­t Airborne auf den möglichen Fall vor, dass die insolvente Air Berlin ihren Flugbetrie­b aus Geldmangel vorzeitig einstellen muss.

„Im Fall eines vorzeitige­n ,Groundings‘ der Air Berlin müssten die begehrten Start- und Landerecht­e vom zuständige­n Koordinato­r der Bundesrepu­blik sofort neu vergeben werden“, sagte Wissel. Den Zuschlag könnten aber nur Gesellscha­ften erhalten, die dann auch mit entspreche­nden Flugzeugen die Strecken tatsächlic­h fliegen könnten. Dafür wolle Ryanair einige Maschinen in der Hinterhand haben, schätzt Wissel.

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Foto: Daniel Bockwoldt, dpa Der irische Billigflie­ger Ryanair ist wegen seiner Flugstreic­hungen heftig in die Kritik geraten.

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