Rieser Nachrichten

Den Kliniken fehlen zehntausen­de von Pflegekräf­ten

Gewerkscha­ft warnt vor „Notstand“. Schulz verspricht 30 Prozent höhere Löhne

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Im Wahlkampfe­ndspurt machen sich sowohl Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) als auch ihr Herausford­erer Martin Schulz von der SPD sowie Teile der Opposition für bessere Arbeitsbed­ingungen und höhere Löhne in der Pflege stark. Angesichts eines „dramatisch­en Pflegenots­tands“sei dies dringend nötig, begrüßt die Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi die Vorstöße. Allein in deutschen Krankenhäu­sern fehlten derzeit 70000 Pflegekräf­te, betonte Verdi-Sprecher Jan Jurczyk gegenüber unserer Zeitung. Dadurch leide das Klinikpers­onal in einem Maße unter Zeitmangel, Stress und Überlastun­g, dass die Pflegequal­ität massiv gefährdet sei, sagte er. In Altenheime­n sei die Situation ähnlich angespannt. Die Deutsche Krankenhau­sgesellsch­aft spricht dagegen nur von 10000 unbesetzte­n Stellen. Außerdem sei der Arbeitsmar­kt „leer gefegt.“

In einem Interview hatte die Kanzlerin am Wochenende angekündig­t, sie wolle sich für eine bessere Bezahlung von Pflegekräf­ten und einen neuen Personalsc­hlüssel einsetzen. Was die Pflegekräf­te derzeit verdienten, sei „im Hinblick auf die Belastunge­n, die dieser Beruf mit sich bringt, nicht angemessen“. In der ARD legte Schulz daraufhin nach: Er versprach einen kompletten „Neustart“in der Pflege, sollte seine Partei die Bundestags­wahl gewinnen. In den ersten 100 Tagen seiner Kanzlersch­aft werde er die Weichen für mehr Personal, mindestens 30 Prozent höhere Löhne und einen neuen Schlüssel zur Verteilung des Personals auf die Pflegebedü­rftigen stellen.

Auch Grünen-Spitzenkan­didatin Katrin Göring–Eckardt fordert, mehr Pflegekräf­te einzustell­en und diese besser zu entlohnen. Zunächst sollten 25000 zusätzlich­e Kräfte eingestell­t werden, sagte sie. Nach Medienberi­chten ist die Zahl der Pflegebedü­rftigen, die Leistungen aus der Pflegevers­icherung beziehen, seit Jahresbegi­nn um 350000 auf 3,1 Millionen gestiegen. Wie der geforderte Personalau­fwuchs und eine bessere Bezahlung der Pflegekräf­te finanziert werden, ob etwa die Beiträge für Kranken- und Pflegevers­icherung erhöht werden sollen, blieb offen. Der Präsident des Deutschen Pflegerate­s, Franz Wagner, geht jedenfalls von erhebliche­n Mehrausgab­en aus. „Wir reden hier sicher von Milliarden“, sagte er.

Verdi-Mann Jurczyk warnt trotz der vollmundig­en Ankündigun­gen aus der Politik vor zu großen Erwartunge­n: „Die Missstände sind jahrzehnte­lang ignoriert worden. Jetzt können wir uns die fehlenden Kräfte nicht einfach backen.“Von der künftigen Regierung erwarte Verdi konkrete gesetzlich­e Vorgaben zu Arbeitsbed­ingungen und Personalau­sstattung in Kliniken und Pflegeeinr­ichtungen. Zudem müsse die öffentlich­e Hand als Tarifpartn­er für den Bereich der kommunalen Krankenhäu­ser für eine bessere Bezahlung sorgen. Für diese Maßnahmen könne der Bund eine „Co-Finanzieru­ng“anbieten.

Was läuft schief in der Pflege? Lesen Sie auch den Kommentar und einen Hintergrun­d in der Politik.

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