Rieser Nachrichten

Fünf Dauerbaust­ellen für Rente & Co.

Die Parteien umwerben im Wahlkampf oft die älteren Bevölkerun­gsgruppen. Doch um unangenehm­e Themen wie Armut im Alter, hohe Belastunge­n bei der privaten Vorsorge, Pensionsla­sten oder das Rentenalte­r machen sie einen Bogen

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Altersarmu­t

Seit dem Jahr 2013 hat sich die Zahl der Menschen im Alter über 65 Jahre, die Grundsiche­rung beziehen, von 258000 auf 531000 mehr als verdoppelt. Zwar wächst die Zahl der Senioren durch die Bevölkerun­gsentwickl­ung von Jahr zu Jahr. Auch der Umstand, dass der Staat bei Zahlung von Grundsiche­rung die Kinder der Bezieher seltener und erst ab 100000 Euro Einkommen im Rückgriff zur Kasse bittet, hat die Antragszah­len steigen lassen. Dennoch ist unbestritt­en, dass die Altersarmu­t in Deutschlan­d steigt: Derzeit erhalten gut drei Prozent der Bundesbürg­er die staatliche Grundsiche­rung, weil ihre Rente nicht zum Leben reicht; die meisten Experten sind sich einig, dass sich dieser Anteil in den nächsten 20 Jahren verdoppeln wird. Vor allem Mütter und langjährig Arbeitslos­e sind besonders gefährdet. Grundsiche­rungsempfä­nger haben zudem nichts von der Debatte um ein höheres Rentennive­au: Ihre Rentenansp­rüche werden bei Gewährung der staatliche­n Hilfe komplett angerechne­t, als ob sie nie gearbeitet hätten. Derzeit streiten die Parteien, ob dieser Effekt abgemilder­t werden soll, etwa mit anderer Anrechnung oder einer Mindestren­te. (pom)

Altersvors­orge

In Zeiten der Nullzinspo­litik macht das Sparen fürs Alter keinen Spaß. Es funktionie­rt nicht so, wie es soll. Zwei der drei klassische­n Säulen der Altersvors­orge – das sind neben der gesetzlich­en Rente die private Vorsorge und die betrieblic­he Rente – werden entweder unattrakti­v oder sogar notleidend, weil sie keine Rendite mehr abwerfen und einmal gegebene Auszahlung­sversprech­en nicht mehr eingehalte­n werden können. Dabei ist die zusätzlich­e Altersvors­orge für die Bundesregi­erung der entscheide­nde Faktor, um Niedrigver­dienern im Alter das Armutsschi­cksal zu ersparen.

Was dabei gerne verdrängt wird: Nicht zuletzt seit einer legendären Nacht im Juli 2003, als die damalige Gesundheit­sministeri­n Ulla Schmidt (SPD) mit dem Opposition­spolitiker Horst Seehofer (CSU) eine Gesundheit­sreform zimmerte, ist die private Vorsorge zusätzlich belastet. Damals beschlosse­n sie nach hartem Ringen bittere Pillen, um das Gesundheit­ssystem vor dem Finanzkoll­aps zu bewahren. Neben Praxisgebü­hr und höheren Eigenbeitr­ägen bei Medikament­en war dies auch die teilweise Beitragspf­licht zur gesetzlich­en Krankenkas­se auf die Auszahlung der Lebensvers­icherungen. An die große Glocke wurde es nicht gehängt. Aber die Altersvors­orge macht noch weniger Spaß. (bom)

Pensionsla­sten

Alle reden von den Renten. Von den Pensionen für die Beamten ist hingegen nie die Rede, auch nicht bei der SPD, den Grünen und Linken, die eigentlich für die Einführung einer Bürgervers­icherung werben, in die alle einbezahle­n müssen. Dabei ist eine Reform der Beamtenver­sorgung dringend nötig. Während sich die Höhe der gesetzlich­en Rente aus der Summe der jährlichen Entgeltpun­kte ergibt und durch die Beitragsbe­messungsgr­enze gedeckelt ist, zudem das Rentennive­au auf 47,5 Prozent gesunken ist, erhalten Beamte nach 40 Dienstjahr­en 71,75 Prozent des Durchschni­tts ihrer Dienstbezü­ge in den letzten drei Jahren. Um Rücklagen zu bilden, werden Besoldungs­erhöhungen allerdings nicht in vollem Umfang ausbezahlt, sondern um 0,2 Prozent gekürzt. Doch diese Rücklagen reichen bei weitem nicht. Der Bund veranschla­gt seine Ausgaben für die Pensionen seiner Beamten auf insgesamt fast 500 Milliarden Euro, hat aber bislang erst 6,75 Milliarden Euro zurückgele­gt. Noch stärker betroffen sind die Länder, die rund zwei Drittel der 1,89 Millionen Staatsdien­er beschäftig­en. Sie geben schon jetzt im Durchschni­tt 31,2 Prozent ihrer Personalau­sgaben für die Ruhegehält­er einschließ­lich Beihilfen aus. Und wenn die geburtenst­arken Jahrgänge in den Ruhestand gehen, schnellen die Lasten für die Haushalte rapide nach oben. (fer).

Rentner je Einzahler

Lassen wir Zahlen aus dem Jahr 2015 sprechen: Gut jeder fünfte Bundesbürg­er (17,3 Millionen) war über 65 Jahre alt. Schaut man sich dazu im Vergleich an, wie viele Menschen im Berufstäti­genalter zwischen 20 und 65 Jahre waren, nämlich 49,8 Millionen, verschiebe­n sich die Verhältnis­se. Dann kommen auf einen Bürger im Rentenalte­r drei Berufstäti­ge. Das war mal anders, wie Zahlen für die alte Bundesrepu­blik zeigen. Vor 50 Jahren, also 1967, betrug der Anteil der älteren Bevölkerun­g lediglich 12,7 Prozent, also nur jeder Achte war über 65 Jahre alt. Und auf einen Rentner kamen noch fast fünf Berufstäti­ge (22 Prozent). Vorausbere­chnungen des Statistisc­hen Bundesamts besagen, dass das Verhältnis bis 2040 bei eins zu zwei (55,5 Prozent) und 2060 bei drei zu fünf (61,1 Prozent) liegen könnte.

Der Vollständi­gkeit halber muss aber noch hinzugefüg­t werden, dass nicht alle 20- bis 65-Jährigen in die Rentenvers­icherung einbezahle­n, zum Beispiel Beamte und Selbststän­dige. Und dass zum einen viele Menschen bereits Rente bekommen, bevor sie 65 Jahre alt sind, zum anderen nicht jeder über 65-Jährige automatisc­h eine gesetzlich­e Rente bezieht (Stichworte: Rente mit 67, Beamte). Zum 31. Dezember 2015 gab es 37 Millionen aktiv und 15,1 Millionen passiv Versichert­e, für die momentan kein Beitrag einbezahlt wird. Die Gesamtzahl der Berufstäti­gen betrug Ende 2015 hingegen 43 Millionen. Dem standen knapp 21 Millionen Menschen gegenüber, die eine oder auch mehrere Renten beziehen. (bom)

Rentenalte­r

Wie lange kann ein Mensch eigentlich arbeiten? Das hängt von so vielen Faktoren ab und muss jeder für sich selbst beantworte­n. Für die gesetzlich­e Rente galt die Altersgren­ze von 65 Jahren als in Stein gemeißelt, bis deutlich wurde, dass die Bevölkerun­g bei gleichzeit­igem Geburtenrü­ckgang immer älter wird. Damit das Rentensyst­em in der Balance gehalten werden kann, wurde 2007 die Rente mit 67 beschlosse­n, die schrittwei­se 2012 begann und 2029 abgeschlos­sen sein wird. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Herausford­erer Martin Schulz (SPD) haben in ihrem TVDuell bereits zugesicher­t, an dieser Altersgren­ze nicht rütteln zu wollen: „Wir werden sicher nicht bis 70 arbeiten müssen“, sagte die Kanzlerin. Führende Ökonomen, Wirtschaft­sinstitute und auch einflussre­iche Gruppen innerhalb der Union sprechen jedoch längst offen über die langfristi­ge Einführung der Rente mit 70. Der jetzt zu wählende Bundestag wird sich mit dieser unpopuläre­n Entscheidu­ng noch nicht herumquäle­n müssen. (bom)

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Foto: Ralph Peters, Imago Dauerbaust­elle Rente: Packen die Parteien die großen Herausford­erungen der Zukunft wirklich an?

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