Bürger befürchten Otting Katastrophe auch in Oettingen
Bewohner des Steinerbachviertels fühlen sich im Stich gelassen und sehen ihre Existenzen bedroht. Nach der Flut von Otting wächst nun auch bei ihnen wieder die Angst
Oettingen Über 70 Oettinger befürchten, dass aus ihrer Stadt, beziehungsweise dem Steinerbachviertel, ein zweites Otting werden könnte. Eine weitere Flutkatastrophe in der Region, die das Landratsamt ihrer Meinung nach verhindern könne, denn die Gefahr sei seit Jahrzehnten bekannt. In dieser Zeit gab es zwei große Hochwasser: im Januar 1995 und im Juni 2003. Die kleineren Starkregen, bei denen ebenfalls die Keller vollgelaufen sind, erwähnen einige Anwohner schon gar nicht mehr. Ein Änderungsbescheid des Wasserwirtschaftsamtes DonauRies lässt die Stimmung bei ihnen nun überkochen. Der Bescheid widerlegt all ihre Bedenken, dass das Baugebiet Kelterfeld Nord die Hochwassergefahr ansteigen lassen könnte(wir berichteten).
Noch dazu wird ein 15 Jahre lang in Oettingen geltender Bescheid für rechtswidrig erklärt, der „Baumaßnahmen zur Hochwasserfreilegung Steinerbach“beinhaltet, weil die Maßnahmen nicht konkretisiert wurden. Die Bedenken, dass das Oettinger Viertel erneut von Überflutungen getroffen werden könnte (siehe Fotos), sind jedoch nicht von der Hand zu weisen. Nach einem Schreiben, das den Rieser Nachrichten vorliegt, haben 73 Oettinger gegen das Einleiten von Wasser aus dem neuen Baugebiet in den Augraben ihre Unterschrift abgegeben, es gab also 73 Einwendungen plus fünf Einwendungsschreiben, die beim Landratsamt eingegangen sind. Einige Anlieger wollen, wie sie jetzt in einem Schreiben mitteilen, den Beschluss des Landratsamts nicht hinnehmen und wenden sich deshalb erneut an die Öffentlichkeit. Unter den Unterzeichnern sind Adolf Gröger, Alfred Winkler, Beate Lämmermeier, Cynthia Mier und Günter Ganzenmüller. Sie schreiben: „Wir fühlen uns vom Wasserwirtschaftsamt/Landratsamt vollkommen im Stich gelassen.“
Immer wieder hätten die Bürger aus dem betroffenen Gebiet auf die große Gefahr hingewiesen – bei der Stadt, beim Landratsamt und beim Wasserwirtschaftsamt. Nach Angaben der Bewohner wurde die Steinerbachsiedlung erst viele Jahre nach der Bebauung, durch die Europäische Union, rückwirkend als Hochwassergebiet eingestuft. Nach Angaben des Bayerischen Landesamt für Umwelt zählt der Augraben zu einer Reihe von Gewässern mit großem Hochwasserrisiko im Kreis. Der betroffene Abschnitt mit besonderem Risiko ist 8,2 Kilometer lang. Viele Anwohner werfen den Behörden auch vor, dass sie mit der Sicherung ihrer Häuser vor einem Hochwasser alleingelassen werden.
Die Stadt Oettingen hat in den vergangenen Jahren zwei Regenrückhaltebecken errichtet; im neuen Baugebiet werden 53 Regenwasserzisternen vorgeschrieben und ein Ausbau des Augrabens westlich der Kleingartensiedlung ist ebenfalls geplant. Das Wasserwirtschaftsamt geht davon aus, dass all die Maßnahmen einen sogenannten „hundertjährlichen Regen“aushalten würden. Die Anwohner bezweifeln das. Im Juni hat ein Regen, der innerhalb von zwölf Stunden etwa 40 Liter Niederschlag gebracht hat, den Steinerbach stark anschwellen lassen (siehe großes Foto). Anwohner Alfred Winkler führt auch die nicht ausgebaggerten Sedimente als Ursache auf. Im Bescheid des Landratsamts heißt es allerdings, das die Regenrückhaltebecken nicht annähernd vollgelaufen seien. Zwei Fragen bleiben den Bürgern: Warum schwillt der Bach trotzdem so stark an? Und was passiert bei einem länger anhaltenden Regen?
Die Anlieger haben sich dem Schreiben zufolge „mit vollem Vertrauen an das Landratsamt, beziehungsweise Wasserwirtschaftsamt gewandt und um dringende Unterstützung hinsichtlich der Bachbettpflege, sowie um keine weitere Genehmigung hinsichtlich der Einleitung von Oberflächenwasser in den Augraben gebeten“. Die Angst wächst, weil Otting vor kurzem überraschend von einem Hochwasser getroffen worden ist. Nach all den Warnungen fürchten Bewohner: „Es macht fast den Eindruck auf uns, als wollte man Oettingen bewusst absaufen lassen! Der Landrat wird von uns Bürgern gewählt, um für unser Wohl zu sorgen. Wir machen uns Gedanken, ob das Landratsamt wirklich auf Seiten der Bürger steht oder auf Seiten der Kommunen.“
Das Landratsamt beruft sich auch auf Nachfrage der RN weiter auf den Bescheid. Nach fachmännischer Prüfung gebe es „keine Verschärfung der Hochwassersituation am Augraben“. Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass Gegenstand des Antrags die Einleitung von Niederschlagswasser in den Augraben war, nicht aber der Hochwasserschutz im Allgemeinen. Die Stadt wisse, welche Maßnahmen am Augraben wichtig seien, um die Hochwassergefahr zu verringern; das Wasserwirtschaftsamt habe die Stadt kürzlich beraten. Das Amt weist auf die Möglichkeit hin, den Bescheid gerichtlich prüfen zu lassen. Landrat Rößle weist den Vorwurf klar zurück, dass man die Oettinger im Stich lassen würde. Der Antrag sei „keine Gefälligkeitsentscheidung zugunsten der Stadt Oettingen“gewesen. Der Vergleich zum Unwetter in Otting sei zudem nicht sachgerecht, „da hier jeweils gänzlich andere Sachverhalte zugrunde liegen“.