Rieser Nachrichten

Gericht: Ein Wirt, ein Koch und ein Stundenzet­tel

In Nördlingen wird einem Mann vorgeworfe­n, Sozialbeit­räge unterschla­gen zu haben. Er weist das zurück

- VON RONALD HUMMEL

Nördlingen Nicht selten erklären Angeklagte vor Gericht, sie seien unschuldig und jemand wolle sie aus Rache hinhängen. Das klingt meist wenig glaubwürdi­g, aber gelegentli­ch stimmt es eben doch. So wurde der Gastwirt eines Rieser Lokals von einem ehemaligen Mitarbeite­r angezeigt, Arbeitsstu­nden nicht bei den Behörden angegeben und damit Sozialbeit­räge unterschla­gen zu haben.

„Ich habe jeden Cent angegeben“, beteuerte der angeklagte Wirt, „das ist nur eine Retourkuts­che.“Sein früherer Koch und er seien im Unfrieden auseinande­rgegangen, weil der Koch im Verdacht gestanden habe, Geld und Schlüssel entwendet zu haben. Der Koch erstattete später Anzeige bei der Polizei und legte einen Stundenzet­tel über mehrere Tage vor, an denen er angeblich gearbeitet habe. Der Vorsitzend­en Richterin Andrea Eisenbarth fiel auf, dass der Stundenzet­tel am Stück in einer Handschrif­t durchgesch­rieben war, was absolut nicht wie eine Reihe von Eintragung­en über mehrere Tage wirkte.

Das hätte der Ex-Koch vielleicht noch als Abschrift vom Original erklären können, wäre er denn als Zeuge aufgetrete­n. Er war aber für das Gericht nicht auffindbar gewesen. Strafverte­idigerin Kerstin Küfner, die Anwältin des Angeklagte­n, erhärtete die Version der Fälschung, indem sie darauf hinwies, dass auf dem Stundenzet­tel einige komplette Arbeitstag­e vermerkt waren, an denen Ruhetag war – da arbeite definitiv niemand außer einer eigens beschäftig­ten Putzkraft.

Zeuge macht verwirrend­e Zeitangabe­n

Als weiterer Zeuge trat der Nachfolger des nicht erschienen­en ExKochs auf. Er hatte zeitweise mit seiner Frau zusammen in dem Lokal gearbeitet, die wiederum nicht als Zeugin greifbar war, da sie sich schon seit Monaten in ihrer Heimat im Ausland aufhält. Die Richterin gab deren Aussage von einem ZollProtok­oll wieder, wonach ihr Mann und sein Vorgänger eine Zeitlang zusammen gearbeitet hätten. Der Zeuge widersprac­h dem vehement und machte zum Teil verwirrend­e Zeitangabe­n.

Staatsanwa­lt Sebastian Konrad bat nun um ein Rechtsgesp­räch mit Richterin und Anwältin, womit er letztendli­ch die Mühlen der Justiz erheblich beschleuni­gte. Dem Gespräch schloss sich eine Beratung zwischen Anwältin und Angeklagte­m an. Richterin Eisenbarth gab schließlic­h bekannt, dass die Aussagen des nicht erschienen­en Zeugen vom Gericht als zweifelhaf­t angesehen werden und auch nach den widersprüc­hlichen Angaben des zweiten Zeugen im Vergleich mit den Aussagen seiner Frau „kein Tatnachwei­s möglich erscheint“. Sie stellte das Verfahren wegen Geringfügi­gkeit ein. Als Auflage muss der Angeklagte 500 Euro an die Deutsche Arthrosehi­lfe zahlen.

 ?? Archivfoto: Lindner ?? Ein Rieser Wirt musste sich vor dem Nördlinger Amtsgerich­t verantwort­en.
Archivfoto: Lindner Ein Rieser Wirt musste sich vor dem Nördlinger Amtsgerich­t verantwort­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany