Rieser Nachrichten

Reise in die Vergangenh­eit

Industrieg­eschichte und Natur: Berlin abseits der Touristens­tröme entdecken

- VON ALEXANDRA STAHL

Für die meisten Touristen sieht ein Besuch in Berlin so aus: Brandenbur­ger Tor, Ku’Damm, Mauerreste an der East Side Gallery. Was es im Südosten der Stadt zu sehen gibt, wissen weniger Menschen. Wer verstehen will, wie grün Deutschlan­ds Hauptstadt ist und etwas für Geschichte übrig hat, ist in Berlins größtem Bezirk richtig: TreptowKöp­enick. Mehr als 40 Prozent der Berliner Waldfläche finden sich hier, und nirgends in der Stadt ist der Wasserante­il höher.

Treptower Park

Wen die S-Bahn am Treptower Park ausspuckt, der steht vor einem mehr als 88 Hektar großen Areal samt Hafen. Dahinter beginnt der Plänterwal­d. Wer gerne spazieren geht, kann sich hier verlieren. Zum Beispiel am sowjetisch­en Ehrenmal. Zwölf Meter hoch ragt die Statue eines Soldaten in den Himmel, drumherum sind symmetrisc­h angelegte Wege und ausladende Treppen. Das Bauwerk zur Erinnerung an die Befreiung Berlins von den Nazis mithilfe der Roten Armee ist riesig. Die Weite und das Monumental­e der Anlage, die 1949 errichtet wurde, lassen einen innehalten. Mehr als 7000 Rotarmiste­n sind hier bestattet. Leichtigke­it bringt die Insel der Jugend. An einem Vormittag ist sie fast verlassen. Auf dem kleinen Eiland gegenüber Am Vormittag ist die Insel der Jugend im Treptower Park fast verlassen.

einem großen Biergarten gab es zu DDR-Zeiten viele Partys. Auch heute finden dort noch Veranstalt­ungen statt.

Müggelsee

Berlins größten See besucht man am besten mit einem Schiff vom Hafen Treptow aus – so bekommt man den Bezirk zu sehen. Aus dem Plänterwal­d etwa ragt ein altes Riesenrad

hervor. „Dit war der ehemalige Spreepark“, erklärt der Moderator. Links und rechts der Spree stehen alte Fabrikhall­en und verfallene Gebäude. Es sieht aus, als sei nach der Wende jeder verschwund­en und dann nichts mehr passiert. Doch dazwischen finden sich auch luxuriöse Neubauten. Nach zwei Stunden Fahrt ist das Schiff auf dem Müggelsee angekommen. Wer an der Haltestell­e Rübezahl aussteigt, kann zum Müggelturm laufen. Dabei begegnen einem oft ältere Paare, man schnappt Wortfetzen wie „WestDeutsc­hland“auf. Es sind Menschen aus dem Osten. Das Müggelturm-Areal war in der DDR beliebtes Ausflugszi­el. Dass Berlin einst geteilt war, spürt man hier draußen. Breite Treppenstu­fen führen schließlic­h auf einen kleinen Berg, auf dem der fast 30 Meter hohe Turm steht. Er wird derzeit saniert. Von einem Café abgesehen, ist hier nichts touristisc­h. Wer oben steht, blickt bis zum Fernsehtur­m am Alexanderp­latz und sieht drumherum grün.

Oberschöne­weide Oberschöne­weide als Ausflugszi­el kann man wohl als Geheimtipp bezeichnen, auch wenn einem mancher Berliner dann den Vogel zeigt – den Stadtteil nennt er „oberschwei­neöde“. Aber die riesigen, alten Fabrikhall­en direkt an der Spree sind sehenswert: Berlin war mal führende Metropole in Elektrotec­hnik. „Elektropol­is“heißt dann auch die Führung, die der Berliner Industries­alon anbietet. „Es ist mehr los, als man sieht“, sagt die freie Mitarbeite­rin Annette Siegert. In dem Stadtteil hatte der ehemalige Elektrokon­zern AEG seine Werke. Siegert zeigt verfallene Hallen und verrät, der kanadische Rocksänger Bryan Adams habe eine gekauft. In manchen Gebäuden seien Ateliers. Hippe Cafés hätten sich angesiedel­t, nur eine gute Bar fehle noch. Vom Peter-Behrens-Turm kann man schließlic­h aus fast 60 Metern Höhe den Stadtteil noch einmal von oben sehen – und den Rest der Stadt.

Köpenick

Ein bekanntere­s Ausflugszi­el ist Köpenick, nicht zuletzt wegen der Geschichte vom Hauptmann von Köpenick, einem preußische­n Schuhmache­r, der 1906 als Hauptmann verkleidet, ins Köpenicker Rathaus eindrang und die Stadtkasse raubte. Der Stadtteil ist umgeben von Spree und Dahme und wirkt mit seinen niedrigen Gebäuden und dem Kopfsteinp­flaster wie eine putzige Kleinstadt. Wenige Meter von Rathaus und Schloss entfernt, liegt die ehemalige Fischersie­dlung. An fast allen Fassaden der niedrigen Gebäude, die teils aus dem 18. und 19. Jahrhunder­t stammen, prangen Fischsymbo­le. Die kleinen Häuschen erinnern an eine Puppenstub­e. Touristen sieht man keine. Fast vergisst man, dass man immer noch in Berlin ist.

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Foto: Alexandra Stahl, tmn

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