Eine „verworrene“politische Lage
Wer soll Deutschland die nächsten vier Jahre regieren? Kann eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grüne tatsächlich funktionieren? Wie die Fraktionsvorsitzenden im Kreistag die Chancen einschätzen
Landkreis Es ist Tag eins nach der Bundestagswahl und ganz offensichtlich ist noch zuwenig Zeit vergangen, als das Ulrich Lange deren Ergebnisse verdaut hätte. Wie berichtet, hat die CSU deutlich verloren, auch Lange selbst hat im Wahlkreis ein schlechteres Ergebnis eingefahren, als noch vor vier Jahren. Über Koalitionen will der Nördlinger deshalb gestern noch nicht sprechen: „Das ist heute nicht der Zeitpunkt dazu. Dazu ist das Ergebnis in jeder Hinsicht zu heftig, auch in der gesamtpolitischen Tragweite.“Der CSU-Fraktionsvorsitzende im Kreistag schließt keine Variante bei den Koalitionsverhandlungen aus. Jetzt treffe sich am heutigen Dienstag erst einmal die CSU-Landesgruppe in Berlin und dann sehe man weiter.
„Absolut gefrustet“ist die SPDFraktionsvorsitzende im Kreistag, Ursula Straka. Sie befürwortet, dass ihre Partei in die Opposition geht – das habe sie schon vor vier Jahren getan. Die Große Koalition habe „eine ganz miserable Entwicklung eingeleitet“, in der die Ränder des Parteienspektrums „ausgefranst“seien. Jetzt liege es an den Liberalen, die toll gewonnen hätten, und an den Grünen, die besser abgeschnitten hätten, Verantwortung zu übernehmen. Die Sozialdemokraten dagegen müssten in der Opposition in den nächsten vier Jahren zeigen, wie eine echte Alternative aussehe, nicht eine, die nur aus Protest bestehe. Straka ist vor allem über das Ergebnis im Wahlkreis erschüttert – schließlich lag dort die AfD bei den vor den Sozialdemokraten.
Helmut Beyschlag ist Vorsitzender der Kreistagsfraktion von PWG und FDP. Dass die AfD die größte Oppositionspartei im neuen Bundestag sein könnte, bezeichnet der Nördlinger als eine „ganz schlechte Botschaft für unsere Demokratie“. Er könne die Entscheidung der Sozialdemokraten, in die Opposition gehen zu wollen, nachvollziehen. Wenn die Jamaika-Koalition die einzige mögliche Variante sei, dann seien alle demokratischen Kräfte verpflichtet, eine tragkräftige Regierungskoalition zu finden. Dass AfD-Ergebnis im Wahlkreis hat Beyschlag erschüttert, ein Trost ist für ihn, dass die Alternative für Deutschland zumindest im Landkreis Donau-Ries auf Platz 3 landete.
Regina Thum-Ziegler, Vorsitzende der Kreistagsfraktion Frauen/ ÖDP/Freie Wähler, beschreibt die politische Lage als „außerordentlich verworren“. Sie könne als RegionalZweitstimmen politikerin in dieser Sache nicht für ihre Kreistagsfraktion, sondern nur ihre persönliche Meinung als Bürgerin und Wählerin darlegen. Derzeit könne sie sich eine Koalition der Grünen mit der FDP und der CSU nur „schwer vorstellen“– das Vorhaben gleiche der Quadratur des Kreises, zumal nach Seehofers Äußerung nicht einmal mehr eine gemeinsame Unionsfraktion gesichert sei.
Dass die SPD eine neue Große Koalition ausschließt, sei „für die Partei die richtige Entscheidung, für das Land möglicherweise nicht“.
Nico Ach, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kreistag DonauRies, erwartet „sehr schwierige Verhandlungen“mit Union und FDP. Gemeinsamkeiten sieht er bei den Bürgerrechten. FDP und Grüne könnten gemeinsam einen Gegenpol zum harten Kurs in der Innenpolitik der Union darstellen. Eine „spezielle Herausforderung“sieht Ach bei der Flüchtlingspolitik – Seehofers Ankündigung am Wahlabend, die „rechte Flanke schließen“zu wollen, dürfte die Unterschiede wohl noch verschärfen. Ein wichtiger Grund für den Wahlerfolg der AfD sei die „soziale Ungerechtigkeit“in Deutschland, sagt Ach. Auch im Landkreis Donau-Ries habe das zum Erfolg der AfD beigetragen, denn auch hier gebe es Armut, nur weniger sichtbar. Insbesondere unter hohen Mieten litten die Menschen auch im Ries. Der soziale Wohnungsbau dürfte nicht weiter privatisiert werden, sagt Ach.
Johann Demharter sen., Vorsitzender der FPD Donau-Ries, freut sich über das gute Abschneiden seiner Partei. Er meint, dass man den „Wirtschaftssachverstand der FDP“mit der „sozialen Ausrichtung der Grünen, die ja nichts schlechtes“sei, kombinieren könne. Demharter fordert, die „überbordenden Staatsausgaben“, mitunter für die Flüchtlingspolitik, zu kürzen.
Dies sei in Zeiten „sprudelnder Steuerquellen“notwendig. Seehofers Äußerung zum Fortbestand der gemeinsamen Unionsfraktion im Bundestag sei eine „reine Drohgebärde“, sagt er.