Rieser Nachrichten

Am Ende

Linus Förster war ein geachteter Landtagsab­geordneter. Jetzt muss er als Sexualstra­ftäter fast vier Jahre ins Gefängnis. Der Richter attestiert ihm „Persönlich­keitsdefiz­ite“. Doch es gibt zwei Lichtblick­e für den Ex-Politiker

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Augsburg Vor einem Jahr war er noch ein geachtetes Mitglied des Bayerische­n Landtags. Jetzt ist er ein verurteilt­er Sexualstra­ftäter. Linus Försters Gesicht ist wie versteiner­t, als Richter Lenart Hoesch ihm verkündet, dass er für drei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis muss. Fast wirkt es so, als habe er sich bis zuletzt der Illusion hingegeben, mit einer Bewährungs­strafe davonzukom­men.

Doch das Urteil ist nicht der einzige Tiefschlag für den ehemaligen SPD-Politiker. Er muss sich vom Richter den Vorwurf gefallen lassen, dass er gelogen habe. Hoesch nimmt Förster nicht ab, dass er die hunderten von Kinderporn­os auf seinen Rechnern nicht angeschaut haben will. „Das ist widerlegt“, sagt der Richter. Um die Schmuddel-Dateien so strukturie­rt in Ordner zu sortieren, habe man sich mit den Inhalten befassen müssen.

Zudem muss sich Linus Förster, 52, eine schonungsl­ose Analyse seines überborden­den Sexualtrie­bs anhören. „Dr. Förster hat Frauen wie Trophäen gesammelt“, sagt Hoesch. Er sei eine „stark narzisstis­ch geprägte Persönlich­keit“, immer auf der Suche nach Aufmerksam­keit und Anerkennun­g. Der ehemalige Abgeordnet­e habe dabei ein „Beuteschem­a bei Frauen“entwickelt: „blond, klein, zierlich.“

Die Worte des Richters sind so unangenehm für Förster wie der gesamte Prozess. Ist doch das ausschweif­ende Sexuallebe­n des früheren schwäbisch­en SPD-Chefs zum Kernthema geworden. Das war auch peinlich für seine früheren Geliebten, die als Zeuginnen vor Publikum über ihr Intimleben berichten mussten. Letztlich bleibt der Eindruck, dass sich Linus Förster in den vergangene­n fünf, sechs Jahren vorwiegend mit Sex und Pornografi­e beschäftig­t hat und die politische Arbeit in den Hintergrun­d trat.

Die Rolle als unbedeuten­der Opposition­spolitiker kratzte so sehr an Försters Ego, dass er in Depression­en verfiel. Und spätestens seit einem Aufenthalt in einer psychosoma­tischen Klinik am Chiemsee drif- er bei seinen häufig wechselnde­n und oft parallel geführten Affären in die Illegalitä­t ab. „Seitdem suchte er einen Kick durch Grenzübers­chreitunge­n“, so der Richter.

Zum Verhängnis wurde dem ExPolitike­r, dass er unbedingt seine eigenen Privatporn­os drehen wollte. Anfangs filmte er den Geschlecht­sverkehr noch mit dem Einverstän­dnis der Frauen. Später fragte er nicht mehr, sondern drehte mit versteckte­n Kameras, von denen die Ermittler in jedem Raum seiner Augsburger Wohnung eine fanden. Seine Freundin, die er in der Psytete choklinik kennengele­rnt hatte, missbrauch­te er zweimal, nachdem sie Schlafmitt­el genommen hatte und komplett weggedämme­rt war. Auch diese Übergriffe filmte Förster und unterlegte einen der Filme später mit der Textzeile „And the sex goes on“– und der Sex geht weiter. Eine andere Frau missbrauch­te er, als sie sich volltrunke­n während einer Party am Lagerfeuer schlafen gelegt hatte. Sie erfuhr erst durch die Ermittlung­en von der Tat.

Als Linus Förster auch noch einen heimlichen Film vom Sex mit einer Prostituie­rten drehen wollte, flog er auf. Die Chinesin brachte den Speicherch­ip seiner Mini-Kamera an sich und ging damit zur Polizei. Mitte November 2016 wurden Försters Büros in Augsburg und München sowie seine Augsburger Wohnung durchsucht. Einen Monat später kam er in Untersuchu­ngshaft in die JVA Gablingen (Kreis Augsburg).

Dort wird der Hobbymusik­er einige Zeit bleiben müssen. Überrasche­nd hat die Jugendkamm­er aber keine Sexualther­apie angeordnet, sondern eine tiefenpsyc­hologische Einzelther­apie empfohlen. Sie folgt damit dem Rat des psychiatri­schen Gutachters. Förster solle im Strafvollz­ug „erst büßen“und „an seinen Persönlich­keitsdefiz­iten arbeiten“, so Richter Hoesch. Damit hat Förster

Beschäftig­ung mit Sex verdrängte politische Arbeit

Eine Sexualther­apie muss er nicht machen

die Chance, nach zwei Dritteln der Strafe auf freien Fuß zu kommen. Bei Sexualstra­ftätern wird wegen der Sexualther­apie sehr selten eine vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis gewährt.

Und noch einen Lichtblick gibt es für Linus Förster: Er hat sich vor dem Prozess verlobt. Die Frau steht in dieser schweren Zeit zu ihm.

Nach der Verurteilu­ng drohen dem 52-Jährigen jedoch finanziell­e Probleme. Seine Abgeordnet­enpension von rechnerisc­h 3600 Euro brutto ist er los. Die Kosten des Prozesses in fünfstelli­ger Höhe muss er ebenfalls tragen. Darüber hinaus hat er seinen Opfern Entschädig­ungen von mehr als 30000 Euro gezahlt.

Viele Prozessbes­ucher hätten sich eine höhere Strafe für Linus Förster gewünscht – zum Beispiel die vier Jahre und neun Monate, die die Staatsanwa­ltschaft gefordert hatte. Doch das Gericht hat neben dem Geständnis und den Schmerzens­geldzahlun­gen noch einen weiteren gewichtige­n Grund gefunden, die Strafe zu mildern. Richter Hoesch drückt es so aus: Linus Förster ist „gesellscha­ftlich erledigt“.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Der ehemalige SPD Landtagsab­geordnete Linus Förster wenige Augenblick­e vor dem Urteil. Das Gesicht ist wie versteiner­t. Förs ter wird vom Landgerich­t Augsburg zu drei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt.
Foto: Ulrich Wagner Der ehemalige SPD Landtagsab­geordnete Linus Förster wenige Augenblick­e vor dem Urteil. Das Gesicht ist wie versteiner­t. Förs ter wird vom Landgerich­t Augsburg zu drei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany