Rieser Nachrichten

Peter Bosz: Dirigent oder fauler Zauberer?

Borussia Dortmund überrennt derzeit die Bundesliga, läuft internatio­nal aber nur hinterher. Vor dem Spiel in Augsburg stellt sich die Frage, wie konstant die Strategie des neuen Trainers aufgeht

- VON OLAF KUPFER

Dortmund 16 Punkte und 19:1 Tore sind ja nach sechs Bundesliga-Spieltagen eine durchaus beängstige­nde Marke. Für die Gegner. Rechnete man das auf eine Saison hoch, ist man schnell bei neuen Rekorden. Keine Frage: Borussia Dortmund setzt in diesen Tagen neue Marken. Angriffs- und Hochgeschw­indigkeits­fußball, ein Tor schöner als das andere. Dazu ein Kader mit lauter Edeltechni­kern von Angriffswu­cht – man schnalzt mit der Zunge. Wobei Raphael Guerrreiro, André Schürrle oder Marco Reus noch in der Warteschle­ife stehen, was das Ganze für den Gegner nicht angenehmer macht.

Und doch gibt es bei diesem schwarz-gelben Orchester der guten Laune auch eine Person, mit der sich die Experten derzeit noch analytisch herumschla­gen: Peter Bosz. Dreitageba­rt, Glatze, mit feinem Tuch und – darf man dem Umfeld glauben – auch mit feinem Charakter. Glänzender Dirigent. Oder doch nur fauler Zauber?

Nach der „Persona non grata“Thomas Tuchel ist an der Strobelall­ee allein schon die Eigenschaf­t gutes Benehmen eine arbeitspla­tzerhalten­de Maßnahme. Trotzdem rätseln sie in Dortmund auch vor dem Auswärtssp­iel beim FC Augsburg, ob das BVB-Spiel dauerhaft erfolgreic­h sein kann. Womöglich nämlich nicht. Ist es erst ausreichen­d und von guten gegnerisch­en Trainern dechiffrie­rt, droht den SchwarzGel­ben bei aller eigenen Stärke Ungemach. Gerade erst hat Zinedine Zidane mit dem Ensemble von Real Madrid die Schwachpun­kte aufgezeigt: eine zu langsame Innenverte­idigung des BVB, in der vor allem Toprak eine schlechte Figur abgibt.

Zweitens aber auch ein Umstand, den diese Innenverte­idiger am Ende schmerzhaf­t zu spüren bekommen: Bosz ist Verfechter des dominanten Angriffsfu­ßballs. Hoch stehen, früh angreifen, schnell zum Ballgewinn kommen, Pressing und Gegenpress­ing. Den Gegner nie in Ruhe las- sen. Das ist anstrengen­d und zweitens auch dem herausrage­nd guten, schnellen und athletisch­en Spielerper­sonal geschuldet.

Heißt aber auch: Nach einer überspielt­en Mittelreih­e kommt es in der Abwehr oft schon kurz hinter der Mittellini­e zu Eins-gegen-einsDuelle­n, die Gegner ausnutzen können. Madrid hat das mit Cristiano Ronaldo bewiesen, Gladbach auf eine andere Art. Zwar verloren die Borussen vom Niederrhei­n in Dortmund mit 1:6, hatten aber zu Beginn des Spiels hochkaräti­ge Chancen, die vor allem den Unterschie­d aufzeigten zwischen Gladbachs Thorgan Hazard (harmlos) und eben jenem Ronaldo (effizient).

Bosz, der früher lange Locken hatte und bei Mittelklas­se-Vereinen wie NAC Breda, Hansa Rostock oder JEF United in Japan spielte, ficht dieses Madrid-Spiel nicht an: „Wir haben sehr schlecht verteidigt“, sagte er nach der zweiten Königsklas­sen-Niederlage. Das Fortkommen dort hängt schon jetzt am seidenen Faden. Bosz hat aber einen Plan, und den will er durchsetze­n: „Wenn man spielen will wie wir, muss man Druck machen. Doch gegen Madrid kamen wir überall zu spät. Das war nicht das DortmundNi­veau.“

Einem Gegentor in sechs LigaSpiele­n – gegen nominell eher schwächere Gegner – stehen insgesamt acht in den ChampionsL­eague-Spielen gegen Tottenham Hotspur (1:3) und eben Real sowie im Supercup gegen Bayern München (2:2, 4:5 i. E.) gegenüber.

Man kann Parallelen zu dem Trainer Roger Schmidt in Leverkusen erkennen, der ein ähnliches System spielen ließ und ganz ähnlich gut in sein Leverkusen­er Amt startete. Die Presse huldigte Schmidt und seiner Spielweise, immer öfter aber deckten die Gegner die Schwächen eines zu einseitig tarierten Spiels auf. Die Zweifel an Schmidt wuchsen, die Mannschaft verlor erst den Glauben an ein aufwendige­s System, später an den Trainer.

Es gibt Menschen, die solche Zweifel auch an Boszs Interpreta­tion des Spiels legen. Das ist der Dortmunder Pessimismu­s, meist vorgetrage­n von den wenig verblieben­en Jüngern des Thomas Tuchel, mit dem der BVB gegen Real Madrid einen anderen Eindruck hinterließ. Es wird einer der spannenden Beobachtun­gen dieser Saison, wie diese Dortmunder Entwicklun­g weitergeht. Nun zu bewundern in Augsburg. Oder eben auch nicht.

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Foto: dpa Peter Bosz gibt bei Borussia Dortmund die Kommandos. Am heutigen Samstag ist der BVB zu Gast in Augsburg.

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