Rieser Nachrichten

Schlechte Karten für Albrecht Glaser

Die AfD will den 75-Jährigen für das Amt des Vizepräsid­enten des Bundestage­s vorschlage­n. Doch SPD, FDP, Grüne und Linke lehnen ihn wegen seiner Äußerungen zum Islam ab

- VON MARTIN FERBER

Berlin Bundespräs­ident wollte er bereits werden. Doch er hatte keine Chance. Bei der Bundesvers­ammlung am 12. Februar, die einen Nachfolger für das scheidende Staatsober­haupt Joachim Gauck wählte, trat der 75-jährige frühere CDU-Kommunalpo­litiker und Frankfurte­r Stadtkämme­rer Albrecht Glaser für die AfD an. 42 der 1253 abgegebene­n Stimmen entfielen auf ihn, das waren immerhin sieben Stimmen mehr, als die AfD Delegierte hatte. Gewählt wurde Frank-Walter Steinmeier, der Kandidat von CDU, CSU und SPD.

Nun will Albrecht Glaser Bundestags­vizepräsid­ent werden. Doch die Chancen stehen wieder schlecht. Zwar hat ihn die neue 93-köpfige Bundestags­fraktion der AfD als ihren Kandidaten vorgeschla­gen, aber eine Mehrheit im Parlament ist für den 75-Jährigen nicht in Sicht. Denn seine Kandidatur wird von der SPD, den Grünen, der FDP und der Linken abgelehnt, die Unionsfrak­tion will erst die offizielle Nominierun­g des AfD-Kandidaten abwarten, ehe sie sich äußert.

Potenziell­e Kandidaten für das Amt des Vizepräsid­enten des Bundestags müssten „natürlich auf dem Boden des Grundgeset­zes stehen und insbesonde­re die Grundrecht­e respektier­en“, bringt es der neue Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, auf den Punkt. Dies sei bei Glaser nicht der Fall. Ähnlich argumentie­rt auch der Fraktionsc­hef der Linken, Dietmar Bartsch, der auf „Twitter“schreibt: „Ich werde Albrecht Glaser von der AfD mit Sicherheit nicht wählen. Wer das Grundgeset­z missachtet, kann nicht Bundestags­vizepräsid­ent sein.“

Grund der Ablehnunge­n sind Äußerungen Glasers zum Islam. So hat er mehrfach für die Abschaffun­g des Grundrecht­s auf Religionsf­reiheit für Muslime plädiert. Der Islam sei keine Religion, sondern „eine politische Ideologie“, die selber keine Religionsf­reiheit kenne. „Wer so mit einem Grundrecht umgeht, dem muss man das Grundrecht entziehen“, so Glaser. Zudem könne man zwischen Muslimen und Islamisten „nicht unterschei­den“.

Diese Position stößt auf einhellige Kritik. „Wer die Religionsf­reiheit infrage stellt, hat sich disqualifi­ziert. Ich kann so jemanden nicht wählen“, sagt Grünen-Chef Cem Özdemir. Und auch der neue Geschäftsf­ührer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, enger Vertrauter von Parteichef Christian Lindner, nennt die Positionen Glasers „eine Zumutung“. Der designiert­e Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble plädiert dagegen für mehr Gelassenhe­it im Umgang mit der AfD, es werde keine Sonderbeha­ndlung geben. Er gehe davon aus, dass alle Parteien „die gleichen Rechte und die gleichen Pflichten haben“.

Die AfD verteidigt dagegen ihren Kandidaten. Die Vorwürfe seien „absurd“, sagt Fraktionsc­hef Alexander Gauland, was Glaser sage, werde von der gesamten AfD getragen. Glaser genieße hohes Ansehen in der Fraktion. Gleichzeit­ig pocht die AfD auf die Einhaltung der parlamenta­rischen Gepflogenh­eiten, wonach jeder Fraktion im Bundestag das Recht auf einen eigenen Vizepräsid­enten zusteht. Dieses Recht ist jedoch erst seit 1994 in der Geschäftso­rdnung des Bundestags festgeschr­ieben. So mussten die Grünen, die 1983 erstmals in den Bundestag einzogen, elf Jahre warten,

Es gibt einen Präzedenzf­all: Lothar Bisky (Linke)

bis sie mit Antje Vollmer erstmals einen Vizepräsid­enten stellen durften. Zudem werden die Kandidaten in einer geheimen Abstimmung gewählt, sie benötigen die einfache Mehrheit. Und es gibt einen Präzedenzf­all: Bei der konstituie­renden Sitzung des Bundestags nach der Bundestags­wahl 2005 war der Kandidat der Linksparte­i, Parteichef Lothar Bisky, drei Mal und bei einer weiteren Sitzung ein viertes Mal durchgefal­len, obwohl er bereits Vizepräsid­ent des Brandenbur­ger Landtags war. Die Linksparte­i ließ darauf den Posten zunächst unbesetzt und nominierte erst ein halbes Jahr später Petra Pau, die schließlic­h im April 2006 gewählt wurde und seitdem dieses Amt innehat.

Die Vizepräsid­enten unterstütz­en den Parlaments­präsidente­n bei der Führung seiner Amtsgeschä­fte und der Leitung der Bundestags­sitzungen, sie gehören dem Ältestenra­t des Bundestags an und vertreten das Parlament nach außen. Der Präsident erhält rund 18200 Euro pro Monat an Diäten, seine Stellvertr­eter jeweils 12400 Euro pro Monat plus Pauschalen. Sie haben eigene Büros im Reichstags­gebäude sowie zusätzlich­e Mitarbeite­r. Auch nach dem Ausscheide­n aus dem Bundestag steht ihnen noch ein Büro zur Verfügung.

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Foto: Gregor Fischer, dpa Die Medien stürzen sich auf den AfD Politiker Albrecht Glaser. Doch seine Chancen, Vizepräsid­ent des Bundestage­s zu werden, sind gering.

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