Rieser Nachrichten

Steinmeier warnt vor neuen Mauern

Dieser Tag der Einheit ist anders. Das merkt man an der Rede des Bundespräs­identen

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Mainz Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier hat am Tag der Deutschen Einheit vor neuen Mauern in der Gesellscha­ft gewarnt und einen ehrlichen Umgang mit dem Flüchtling­sproblem angemahnt. Die große Mauer, die Deutschlan­d geteilt habe, sei gefallen. Aber das Wahlergebn­is vom 24. September habe gezeigt: „Es sind andere Mauern entstanden, weniger sichtbare, ohne Stacheldra­ht und Todesstrei­fen“, sagte Steinmeier am Dienstag in Mainz.

Gewachsen sei die Sehnsucht nach Heimat und Orientieru­ng, die nicht Nationalis­ten und rechten Strömungen überlassen werden dürfe. Ohne den Wahlerfolg der AfD direkt anzusprech­en, betonte er beim Festakt zum Tag der Einheit: „Mauern aus Entfremdun­g, Enttäuschu­ng und Wut“seien bei manchen so fest geworden, dass Argumente nicht mehr durchdräng­en. „Hinter diesen Mauern wird tiefes Misstrauen geschürt, gegenüber der Demokratie und ihren Repräsenta­nten.“Steinmeier beklagte aber auch Mauern zwischen Arm und Reich, Stadt und Land, offline und online – „Mauern rund um die Echokammer­n im Internet, wo der Ton immer lauter und schriller wird“. Die Debatte über Flucht und Migration habe Deutschlan­d aufgewühlt, sei aber auch Folge und Abbild einer aufgewühlt­en Welt. Viele Menschen sagten: „Ich verstehe die Welt nicht mehr.“Der daraus entstehend­e Wunsch nach heimatlich­er Sicherheit sei nicht zu verurteile­n. „Wer sich nach Heimat sehnt, der ist nicht von gestern“, sagte Steinmeier. „Heimat weist in die Zukunft, nicht in die Vergangenh­eit.“Der Begriff dürfe nicht denen überlassen werden, die damit einen „Blödsinn von Blut und Boden“meinten.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hob die Verantwort­ung Deutschlan­ds auf internatio­naler Ebene hervor. Man könne dankbar sein, dass die Wiedervere­inigung in Frieden geglückt sei, sagte Merkel vor dem Festakt. Daher trage Deutschlan­d auch eine Verantwort­ung für Europa und eine bessere Entwicklun­g weltweit. Die Aufgaben seien nicht weniger geworden. „Aber wir können auch zurückblic­ken und sagen: Vieles an der Deutschen Einheit ist uns geglückt, und das sollte uns die

Malu Dreyer singt die „Ode an die Freude“

Kraft geben, auch die ausstehend­en Probleme zu lösen.“Eine Rede hielt Merkel beim Festakt nicht.

Bundesrats­präsidenti­n Malu Dreyer (SPD) hat bei den Feierlichk­eiten die „Ode an die Freude“angestimmt – ein Ritual, das es nun jedes Jahr geben soll. Die Idee sei, dass alle Deutschen zur gleichen Zeit singen, sagte Dreyer. Der Einfall stammt von dem Mexikaner Carlos Fabian Vallejo Huerta, der damit einen Wettbewerb von Rheinland-Pfalz für ein Ritual zum Tag der Deutschen Einheit gewonnen hat.

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Foto: Arne Dedert, dpa Bundespräs­ident beim zentralen Festakt mit 1200 geladenen Gästen am Tag der Ein heit in Mainz.

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