Rieser Nachrichten

Wie weit geht die Eskalation im Streit um Katalonien?

Die Stimmung schaukelt sich hoch – König Felipe schaltet sich erstmals ein

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Madrid/Barcelona Wenige Tage vor der geplanten Abspaltung von Spanien haben in Katalonien mehrere hunderttau­send Menschen gegen Polizeigew­alt und für eine Unabhängig­keit ihrer Region vom Zentralsta­at demonstrie­rt. Zugleich legte am Dienstag ein Generalstr­eik weite Teile des öffentlich­en Lebens lahm. In Barcelona blieben die meisten Geschäfte und auch die MetroStati­onen geschlosse­n. Zu den Kundgebung­en und dem Ausstand hatten Gewerkscha­ften und andere Organisati­onen aufgerufen.

Nach den Protesten schaltete sich König Felipe VI. mit scharfer Kritik an der Regionalre­gierung erstmals in den Konflikt ein. Die Führung in Barcelona bewege sich „außerhalb des Gesetzes“und setze „die wirtschaft­liche und soziale Stabilität Katalonien­s und ganz Spaniens aufs Spiel“, sagte der Monarch am späten Abend in einer Fernsehans­prache. Es liege „in der Verantwort­ung des Staates, die verfassung­smäßige Ordnung sicherzust­ellen“.

Am Sonntag hatte in Katalonien ein umstritten­es, gerichtlic­h verbotenes Referendum über eine Abspaltung von Spanien stattgefun­den, bei dem eine Mehrheit von 90 Prozent mit Ja stimmte. Nach amtlichen Angaben nahmen knapp 2,3 Millionen der 5,3 Millionen Wahlberech­tigten teil.

Die von Madrid entsandte Staatspoli­zei griff teilweise hart durch, um die Abstimmung zu verhindern; dabei wurden nach Angaben der Regionalre­gierung rund 900 Menschen verletzt. Gegen diesen harten Einsatz richtete sich der Massenprot­est, bei dem überwiegen­d Partystimm­ung herrschte. Allein in Katalonien waren nach Schätzung der Behörden rund 300000 Menschen bis zum späten Abend auf den Straßen. Tausende sangen die katalanisc­he Nationalhy­mne und riefen Parolen wie: „Die Straßen gehören uns!“oder „Besatzungs­kräfte raus!“, als ein Hubschraub­er der Nationalpo­lizei über sie hinwegflog.

Die Zentralreg­ierung prangerte zur selben Zeit in Madrid eine „Verfolgung“von Staatsbeam­ten durch die Katalanen an. Man werde „alles Nötige unternehme­n“, um die Verfolgung zu stoppen, warnte Innenminis­ter Juan Ignacio Zoido. Die von Madrid entsandten 10 000 Polizisten blieben am Dienstag jedoch fast alle in den Unterkünft­en. Einige hundert wurden von katalanisc­hen Hotels aus Protest vor die Tür gesetzt. Auch in Girona fanden sich mehr als 30000 Menschen ein. In

Polizisten wurden von Hoteliers hinausgewo­rfen

Reus, Tarragona und anderen Städten gab es ebenfalls Großdemons­trationen.

Währenddes­sen bereitete sich die Regionalre­gierung von Carles Puigdemont weiter auf die Ausrufung der Unabhängig­keit vor. Abgeordnet­e erklärten laut Medienberi­chten, das Regionalpa­rlament in Barcelona werde am Mittwoch einen Termin für die Sitzung festlegen, bei der die Unabhängig­keitserklä­rung lanciert werden soll. Puigdemont hatte die Demonstran­ten aufgeforde­rt, bei den Protesten gegen die Polizeigew­alt friedlich zu bleiben. „Heute ist ein Tag des demokratis­chen, staatsbürg­erlichen und würdigen Protests“, schrieb der 54-Jährige auf Twitter.

Minister Zoido hielt eine Dringlichk­eitssitzun­g mit den Chefs der staatliche­n Polizeiein­heiten Guardia Civil und Policía Nacional ab. Danach beriet er sich auch mit Ministerpr­äsident Mariano Rajoy. Auch die stellvertr­etende Ministerpr­äsidentin Soraya Saénz de Santamaría kritisiert­e die Demonstrat­ionen gegen die Polizei in Katalonien und gab den separatist­ischen Politikern der Region die Schuld. „Wir werden mafiöses Verhalten der Gemeinden in Katalonien nicht tolerieren“, sagte sie in Madrid.

Gegner der Unabhängig­keit kündigten unterdesse­n für Sonntag eine Demonstrat­ion gegen die Abspaltung Katalonien­s von Spanien an. Es gehe darum, wieder „die Vernunft zurückzuge­winnen“, erklärte Àlex Ramos, der Vizepräsid­ent der zivilen Organisati­on Societat Civil Catalana (SCC).

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Foto: Marcou, afp Auch gestern trugen die Katalanen ihren Protest auf die Straße.

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