Rieser Nachrichten

Braucht der Sport Hymnen?

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Stehen oder knien – das ist die Frage, die US-amerikanis­che TopSportle­r in diesen Wochen beim Klang der Hymne beschäftig­t. Aufgeworfe­n hatte die Frage ein einzelner Football-Profi. Colin Kaepernick von den San Francisco 49ers demonstrie­rte mit seinem Kniefall zum Star-Spangled Banner vor einem Jahr gegen Rassismus und Polizeigew­alt. Am Saisonende fand sich dann kein Verein mehr für den dunkelhäut­igen Quaterback. Sein Protest aber hat sich fortgepfla­nzt. Statt Hand aufs Herz und Augen zur Flagge, gehen inzwischen hunderte Sportstars in die Knie. Ein respektvol­l vorgetrage­ner Protest. Die Demutsgest­e aber macht es in den Augen des weißen Amerika nicht besser. In einem Land, in dem Hymne und Flagge eine überragend­e Bedeutung besitzen, bleibt sie ein Affront.

Es hat überrasche­nd lange gedauert, bis Donald Trump darauf reagiert hat – dann aber umso heftiger. Der Präsident hat die Kniefällig­en als vaterlands­lose Kerle und Hurensöhne beschimpft, die man allesamt feuern sollte. Seither knien noch mehr. Der Protest richtet sich nun nicht mehr allein gegen Rassendisk­riminierun­g, sondern vielmehr gegen Trump und seine Politik. Nebenbei entlarvt der Protest einmal mehr die sozialroma­ntische Mär vom Sport als einer Welt, in der Gesinnung und Hautfarbe keine Rolle spielen. Märchenhaf­te Attribute, mit denen sich der Sport bestens vermarkten lässt, die mit der Wirklichke­it aber wenig zu tun haben. Warum sind 70 Prozent der Footballsp­ieler Afroamerik­aner, aber schaffen es nur wenige im Baseball, Eishockey oder Tennis nach oben? Und warum soll ein Farbiger, dessen Vorfahren einst von weißen Sklavenhän­dlern nach Amerika verschlepp­t wurden, aufrecht die US-Hymne singen? Und wozu überhaupt die Hymne zum Spiel? Hymne und Fahne prägen den Sport auch hierzuland­e. Nicht mehr so wie 1954, als die sangesfreu­digen Helden von Bern den WM-Sieg als nationale Aufgabe empfanden. Auch nicht mehr so wie 1990, als Franz Beckenbaue­r die Singpflich­t eingeführt hat. Aber noch immer ist der Sport nationales Prestigeob­jekt, das nicht nur bei uns patriotisc­h aufgeladen wird.

Hierzuland­e hat sich die Lage mit der WM 2006 entkrampft. Trotzdem gibt es noch immer Lippenlese­r, die darauf achten werden, ob Mustafi und Boateng mitsingen. Warum aber sollten sie? Sie spielen für sich, für die Mannschaft, für den Erfolg. Alles andere war 1954.

 ?? Foto: Rauchenste­iner ?? Es gibt viel zu besprechen: Karl Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß suchen einen Nachfolger für den entlassene­n Carlo Ancelotti. Möglicherw­eise heißt der Neue Thomas Tuchel. Der gebürtige Krumbacher gilt als Favorit auf den Job.
Foto: Rauchenste­iner Es gibt viel zu besprechen: Karl Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß suchen einen Nachfolger für den entlassene­n Carlo Ancelotti. Möglicherw­eise heißt der Neue Thomas Tuchel. Der gebürtige Krumbacher gilt als Favorit auf den Job.
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Foto: Witters Hymnenhalt­ung: Jérôme Boateng (rechts) singt, Mesut Özil nicht.
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