„Wir brauchen jeden Apfel“
Die Nördlinger Mosterei Binninger leidet unter der schlechten Obsternte. Zu Engpässen kommt es dank des Tanklagers nicht. Der Geschäftsführer ist dennoch besorgt
Nördlingen An der Obstannahmestelle der Mosterei Binninger steht niemand. „Eigentlich bildet sich um diese Zeit eine Schlange“, sagt Karl Altmann, der Geschäftsführer des Familienunternehmens. Zwar liegen einige Haufen Äpfel bei der Presse, doch in den vergangenen Tage kamen zu wenige – dafür lohne es sich nicht, die Presse in Gang zu setzen, sagt Altmann.
Im eigenen Getränkemarkt nebenan gehen die Kunden nach wie vor ein und aus. Am Sortiment hat die schlechte Ernte nichts geändert. „Durch unser Saftlager kommen wir auch durch schlechte Zeiten“, sagt Altmann. Er läuft durch einen Gang zwischen den rund 14 Meter hohen Edelstahltanks und sagt: „Die retten uns zur Zeit.“
Einige Mostereien kauften in solchen Zeiten Äpfel aus dem Ausland, sagt Altmann. Die Mosterei Binninger mache das nicht. Sie stellten ihre Säfte ausschließlich aus Streuobst von Privatleuten aus der Umgebung von Nördlingen, Gunzenhausen und Wertingen her. Gepresst und abgefüllt wird in Nördlingen. In den beiden Zweigstellen gibt es jeweils einen Getränkemarkt und eine Obstannahmestelle. Doch auch dort käme heuer kaum Obst an. „So et- habe ich noch nie erlebt“, sagt der 64-jährige Unternehmer. Schlechte Ernten habe es in den 50 Saisons, die er begleitet hat, zwar gegeben, aber nicht so flächendeckend.
Der Junior, Florian Altmann, ist für die Produktion zuständig. Eigentlich wäre Hochsaison zwischen Ende August und Ende Oktober für den gelernten Fruchtsafttechniker und Getränkeindustriemeister. Die sehr großen Ernten von früher habe er selbst nicht mitbekommen, sagt der 36-Jährige. Doch gute Jahre habe es gegeben – einmal etwa 2,5 Millionen Liter. Diese Saison erwar- ten die beiden einen Bruchteil davon, nämlich rund 150 000 Liter. „Nächstes Jahr muss es unbedingt mehr geben“, stellt Karl Altmann klar. Am Saftpreis hätte die Mosterei Binninger bisher nichts verändert, man wolle nicht voreilig handeln. Langfristig könne man Preiserhöhungen nicht ausschließen, sagt Karl Altmann etwas zögerlich. Das sei abhängig vom gesamten Markt. Florian Altmann sagt, andere Mostereien hätten den Preis aufgrund der schlechten Ernte bereits erhöht.
Doch nicht nur die schlechte Ernte führe dazu, dass weniger Obst bei ihnen ankomme, meint Florian Altwas mann. Er beobachte auch eine langfristige Entwicklung. „Viele Jugendliche haben den Bezug zum Apfel verloren“, sagt er. Eltern und Schulen sollten ihren Kindern den Obstanbau näherbringen. Es gebe zwar Lehrer, die ihre Schüler den Obstanbau zeigten, zum Beispiel bei der Schülerfirma der Mittelschule Wallerstein. In der Breite nehme es aber ab, sagt Florian Altmann. „Die wenigsten haben heute ja noch einen großen Garten.“
Erfreulich sei hingegen, dass es einen Trend zu regionalen Produkten gebe, sagt Karl Altmann. Die Apfel- und Birnensäfte des Saftsortiments von Binninger, das 40 Variationen umfasst, stammen ausschließlich aus der Region. „So wie der Saft gepresst wird, kommt er auch zum Kunden“, sagt er. Binninger verkauft eigene Liköre und Spirituosen und Produkte anderer regionaler Produzenten. Seit einigen Jahren gehört Bier zum Sortiment.
In der Zwischenzeit hat jemand eine Ladung Äpfel in der Annahmestelle im Innenhof abgeladen. Eine große ist es zwar nicht, aber Karl Altmann sieht dennoch erfreut aus. Er nimmt ein paar der Früchte in die Hand und schaut sichtlich erfreut. „Wir brauchen jeden Apfel.“