Kostbarkeiten klassischer Musik
Das Ensemble „Camerata Europeana“ist ein länderübergreifendes Kammerorchesterprojekt. Im Oettinger Schloss begeisterte es das Publikum
Oettingen Dass es viel zu entdecken gebe in der fantastischen Welt der europäischen Kultur war der Anstoß zur Gründung der „Camerata Europeana“, eines länderübergreifenden kammermusikalischen Orchesterprojekts für eine lebendige Begegnung mit der klassischen Musik und mit den Musikern der bedeutenden Orchester der europäischen Länder als deren Kulturbotschafter.
Mit seinem Leiter Radoslaw Szulc, dem ersten Konzertmeister des Sinfonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, gastierte dieses Ensemble im Schloss Oettingen bei den Residenzkonzerten und unterstrich damit die Bedeutung dieser Konzertreihe.
Der Anspruch, dem Publikum vergessene Preziosen der klassischen Musik zu bieten, wurde mit einem unvollendeten Fragment von W. A. Mozart erfüllt. Nach dem Verfassen von 134 Takten legte die- ser sein Manuskript zur Seite, nebst einem Entwurf für einen zweiten Satz. Mehrere Komponisten späterer Zeit versuchten, wie der Engländer Philipp Wilby, dieses „Fragment für Violine, Bratsche und Violoncello und Orchester“zu vollenden. Wenn auch manche Musikexperten die Mozartsche Authentizität bezweifeln mögen, war die Interpretation durch die Camerata Europeana jedenfalls des großen Meisters würdig. Die drei Solisten, Radoslaw Szulc (Violine), Martin Höfler (Bratsche) und Bernhard Lörcher (Cello) begeisterten das Publikum mit ihren äußerst anspruchsvollen Solobeiträgen. Sie wurden von der klanglichen Intensität des Orchesters getragen, das sich dem eindrucksvollen Tempo der drei Virtuosen mit gefühlvoller Dynamik anpasste.
Ganz das Gegenteil eines unbekannten Mozart-Werkes ist sein „Konzert für Violine und Orchester in A-Dur“. Es sei ein solistisches Pflichtstück für jede Bewerbung bei einem professionellen Orchester, sagte Radoslaw Szulc und setzte seine Geige an. Und nun erlebte das Publikum eine wunderbare Präsentation des letzten und schönsten Violinkonzerts von Mozart. Szulc zelebrierte gleich beim ersten Einsatz nach dem tänzerischen Beginn des Orchesters völlig entspannt in einem betörenden Piano eine wunderbare Melodie. Wie eine zärtliche Arie spielte er mit den einfallsreichen Motiven im Wechsel mit Bläsern und Streichern und faszinierte mit einer virtuosen Kadenz. Seufzermotive bestimmten den eher nachdenklichen zweiten Satz, bei dem die exzellente Bogentechnik und die gefühlvolle Tongebung des Solisten bestachen.
Das fließende Thema des Schlusssatzes steigerte sich allmählich, bis es sich in einen „Türkischen Marsch“verwandelte, der mit fremdartigen Harmonien und rhythmischen Akzenten, mit Klopfen und Springenlassen der Bögen auf den Saiten aufwartete, bis dieser rustikale Aufzug noch einen friedlichen Ausgang fand.
Der zweite Teil des Konzerts war Joseph Haydn gewidmet für zwei seiner Tageszeiten-Sinfonien, mit denen er sich beim Fürsten Esterhazy als Hofkomponist qualifizierte. „Le matin“(der Morgen) begann mit einem der schönsten Sonnenaufgänge der Musikgeschichte, das Erwachen der Natur, die Gesänge der Vögel von Flöten und Oboen, von den Hörnern ein Waidmannsheil für die Jäger; und schließlich versprühte das ganze Orchester blühendes Leben mit exzellenten Solistenbeiträgen in allen Instrumentengruppen.
In der Sinfonie „Le Midi“(der Mittag) erregte sogar ein Solo-Kontrabassist für sein virtuoses Spiel höchste Aufmerksamkeit. Von diesem Orchester aus lauter Virtuosen waren die Zuhörer so fasziniert, dass sie emphatisch applaudierten und dafür eine romantisch anmutende „Air“von J. S. Bach als Zugabe genießen durften.