Die Suche nach einer neuen Heimat
Beim Erzählcafé bedanken sich junge afghanische Flüchtlinge für die Zuwendung, die sie im Ries erfahren haben und sprechen über ihre Erfahrungen mit Deutschland
Nördlingen Amin hat es geschafft. Er hat einen Job, er hat eine Wohnung, einen Führerschein und neuerdings sogar einen Heimgarten, einen Inbegriff der so genannten deutschen Leitkultur. Mehr Integration geht eigentlich nicht. Er spricht schon sehr gut Deutsch. Dennoch ist er auf der ständigen Suche nach einer, nach seiner neuen Heimat. Und er muss, trotz all seiner Bemühungen, immer mit dem Damoklesschwert einer Abschiebung über sich leben.
Er ist nur „geduldet“hier in seinem neuen Land. Geduldet von den Behörden, aber durchaus willkommen geheißen von der Bevölkerung. Nicht zuletzt deshalb wollten die jungen Afghanen diese Begegnung mit „Eingeborenen“, die im Gemeindezentrum St. Georg stattfand. Sie wollten sich für die Zuwendung bedanken, die sie von vielen Seiten aus der Bevölkerung bekommen hatten. Und sie wollten von sich erzählen, von ihrer alten Heimat, wo- sie sich erinnern, was sie nicht vergessen wollen und warum sie sich auf den Weg gemacht haben. Und den Besuchern gerne auch berichten, was ihnen bei der Integration geholfen hat und weiter helfen würde, welche Wünsche und Hoffnungen sie für ein Leben in Deutschland haben.
Dafür sind einige von ihnen bis aus München wieder zurück nach Nördlingen gekommen. Sie haben afghanisches Essen zubereitet, um auch durch den Magen zu vermitteln, was Afghanistan im Prinzip zu bieten hätte, wenn dieses Land nicht schon immer von Kriegen und Konflikten zerrissen wäre. „Dieses Land wird nie zur Ruhe kommen.“Diesen Satz sagt ein Zuhörer, ein Landsmann, als Amin mitten in seinem Vortrag ist. Und Eskandaris Fakten unterstreichen diese These leider nur allzu deutlich: Es gibt 49 Sprachen und 200 Dialekte. 61 Prozent der Bevölkerung sind Analphabeten, bei den Frauen 75 Prozent. Seit 1978 herrscht dort ununterbrochen Krieg. Kein Wunder eigentlich, dass von circa 34 Millionen Einwohnern über sechs Millionen drogenabhängig sind. „Nahezu jedes Land der Erde hat Besatzungssoldaten in Afghanistan“, berichtet Amin, und er mutmaßt auch, warum: „In Afghanistan werden Bodenschätze im Wert von 2,5 Billionen Dollar vermutet.“
Der Krieg ist ein Krieg um Bodenschätze, Afghanistans Wasser ist verkauft, Amin weiß nicht, an wen, jedenfalls müssen Landwirte für die Bewässerung ihrer spärlichen Felder bezahlen. Es gibt nur eine (geteerte) Straße in Afghanistan, erzählt er, keine Verkehrsinfrastruktur, keine Eisenbahn und keinen öffentlichen Nahverkehr.
So etwas wie kulturelles Leben oder Gesundheitsversorgung gebe es nur in den Städten, die die Landran bevölkerung so gut wie nicht erreichen kann.
Nicht nur deshalb leben sechs Millionen Afghanen in Pakistan und Iran, ungeliebt zwar, aber sie leben. Sie dürfen dort nicht arbeiten, keinen Grundbesitz erwerben, keine Häuser kaufen, nicht Auto fahren.
Von den 25 000 Afghanen, die heute in Deutschland leben, sind nicht wenige, wie Amin, von der Abschiebung bedroht. In ein Land, das der größte Teil von ihnen noch niemals gesehen hat, weil sie im Ausland geboren wurden.
Nur zwei der Flüchtlinge, die in St. Georg waren, sind in Afghanistan geboren. Es mag sehr wohltuend für sie gewesen sein, anschließend noch mit vielen Menschen persönlich sprechen zu können, auch wenn der Abend viel zu schnell zu Ende war.
Man versprach, sich im November an gleicher Stelle wieder zu treffen. Eine Fortsetzung des Dialoges, die allen Seiten, Deutschen und Afghanen, nur Gutes bringen kann.
Einige kamen aus München nach Nördlingen