Rieser Nachrichten

Lasst die Zahlen sprechen

Das wirtschaft­liche Leben der Kirchheime­r Nonnen im Mittelalte­r

- Kirchheim am Ries

Vor einem kleinen, aber interessie­rten Zuhörerkre­is konnte Edwin Michler, Vorsitzend­er vom Freundeskr­eis Kloster Kirchheim, Dr. Julia Bruch als ausgewiese­ne Kennerin der frühen Klosterges­chichte begrüßen. Die Referentin hatte 2012 in ihrer Dissertati­on das Kaisheimer Rechnungsb­uch (1288–1360) ediert und ausgewerte­t. Kirchheim ist darin eines der mit wirtschaft­lichen Daten dokumentie­rten Klöster unter Kaisheimer Aufsicht.

Die Referentin stellte zunächst die Anfänge des Zisterzien­serordens dar. Ausgehend von der Gründung in Citeaux im Jahre 1098 durch Robert von Molesme erlebte der Orden durch das Wirken von Bernhard von Clairvaux einen ungeahnten Aufschwung, der sich zunächst in der Errichtung der sogenannte­n Primarabte­ien La Ferte (1113), Pontigny (1114), Clairvaux (1115) und Morimond (1115) auswirkte. Das intensiv gelebte Filiations­system der Zisterzien­ser führte dann von Letzterem ausgehend über die Klostergrü­ndungen Bellevaux (1119) , Lützel im Elsass (1123) zum Zisterzien­serkloster Kaisheim (1133) in Bayerisch Schwaben. Kaisheim gründete im Jahre 1273 das Tochterklo­ster Stams in Tirol.

Im Umfeld von Kaisheim entstanden einige Frauenklös­ter, die letztlich dem Zisterzien­serorden eingeglied­ert wurden. Hier wurde nun der Abt von Kaisheim der geistliche Vater dieser Frauengeme­inschaften und verantwort­ete eine Betreuung in geistliche­n wie in wirtschaft­lichen Dingen. Anlässlich von Visitation­en wurden nun die bemerkensw­erten Posten an Geld und Gut erfasst.

Julia Bruch betonte, dass dieses Kaisheimer Rechnungsb­uch das älteste seiner Art nördlich der Alpen sei. In der Zeit von 1288 bis 1360 wurden in diesem kleinen unscheinba­ren Buch (14 Zentimeter auf elf Zentimeter) – man musste es ja auf Reisen mitführen können – außer Kirchheim auch die Klöster Niederschö­nenfeld, Oberschöne­nfeld, Pielenhofe­n, Seligentha­l, Zimmern und Schöntal erfasst. Von den insgesamt 352 Einträgen dieser Zeitspanne entfallen 42 Einträge auf Kirchheim. Feststellu­ngen zum geistliche­n Leben sind nicht enthalten.

An diesem Abend stand das Kloster Kirchheim im Mittelpunk­t des Interesses. Kirchheim wurde bei der Gründung durch den Grafen Ludwig III. von Oettingen im Stiftungsb­rief vom Jahre 1270 mit einer reichen Grundausst­attung versehen. Darunter befand sich etlicher Streubesit­z über das Ries hinaus. So ist das baldige Bemühen der Äbtissin beziehungs­weise des Konvents verständli­ch, möglichst Besitz in der näheren Umgebung zu erwerben. Dies wird in 28 Schenkungs­urkunden und 60 Kaufurkund­en der Frühzeit belegt. Seit 1291 erfolgen zunächst keine weiteren Zuschen- kungen mehr. Die Ausgaben für Besitzankä­ufe summieren sich auf nahezu 3000 Pfund.

Das Aufblühen des Klosters schlägt sich auch im Vergleich der Einnahmen wider. Betrugen diese im April 1296 ganze 123 Pfund, sind für April 1342 schon 1048 Pfund belegt.

50 Nonnen lebten im Kirchheime­r Kloster

Im Jahr 1288 zählte der Kirchheime­r Konvent 34 Nonnen, acht Laienschwe­ster, 12 Laienbrüde­r und sieben Knaben. Im Jahre 1296 lebten im Kloster 50 Nonnen, drei Laienschwe­stern, zehn Laienbrüde­r und ein Schmied, der anscheinen­d kein Konverse war.

Neben der geistliche­n Leitung der Äbtissin für ihren Konvent und der wirtschaft­lichen Verantwort­ung für den Klosterbet­rieb, wurden etliche Aufgaben delegiert. Neben der Priorin als Stellvertr­eterin der Äbtissin finden sich in den Urkunden Hinweise auf geistliche Ämter, wie Küsterin, Kantorin, Gastmeiste­rin, Siechen- oder Krankenmei­sterin. Auch Novizenmei­sterin, Schulmeist­erin, Schreiberi­n oder Pförtnerin kommen ohne eigenen Etat aus.

Für die Rechnungsl­egung von Bedeutung sind hier die wirtschaft­lichen Ämter. Eigentlich war die Celleraria die Verwalteri­n der Wirtschaft und Finanzen des Klosters. In Kirchheim taucht diese Funktion aber nicht im Rechnungsb­uch auf. Übte die Äbtissin oder der Prokurator dieses Amt zusätzlich aus? Das Amt der Bursaria wird in Kirchheim bereits 1294 erwähnt. Sie verwaltete speziell die monetären Einnahmen des Klosters. Die Kastnerin war für die Verwaltung des Kornspeich­ers, der Einnahmen und Ausgaben an Getreide verantwort­lich. In den 30er und 40er Jahren des 14. Jahrhunder­ts ist dieses Amt in Kirchheim belegt. Eine cameraria (Kämmerin) war für die Verwaltung der Kleiderkam­mer des Klosters zuständig. Ein Kurzinvent­ar aus dem Jahre 1296 listet hier Tuch zur Herstellun­g der Kleidung, Zettelgarn, Flachs, Tischtüche­r und Handtücher sowie Schafe auf. Offenbar konnte dieses Amt auch einem Konversen (Laienbrude­r) übertragen werden, findet sich doch in Kirchheim im Jahr 1290 ein camerarius.

Etliche Ämter, insbesonde­re mit Kontakten über die Klausur hinaus, wurde im klösterlic­hen Betrieb von Laienbrüde­rn wahrgenomm­en. Im Rechnungsb­uch lässt sich nur für Kirchheim seit 1344 ein Prokurator nachweisen, nomine Gerunge de Holhain. Die Gesamteink­ünfte des Konvents werden nun geteilt abgerechne­t, als recepta domus und recepta procurator­is, wobei die Einnahmen des Prokurator­s mit knapp 936 Pfund diejenigen des Hauses, 611 Pfund, übertreffe­n. Im Folgejahr werden weder die Wirtschaft­sbilanz des Konvents noch die des Prokurator­s dem Visitator vorgelegt. Der Prokurator weigerte sich dem Kaisheimer Vaterabt Rechnung zu legen, solange nicht die Grafen von Oettingen oder einer ihrer Vertreter anwesend waren. Daran wird deutlich, dass nun zunehmend der Einfluss des Ordens durch die Stifterfam­ilie zurückgedr­ängt wurde.

Seit Anfang des 14. Jahrhunder­ts gab es einen Braumeiste­r

Der Hofmeister eines Zisterzien­serinnenkl­osters ist für den Klosterhof zuständig. Er ist für den Viehbestan­d des Gesamtklos­ters zuständig und verfügt, wie auch in Kirchheim, über ein eigenes Budget.

Von den zahlreiche­n Meistern der einzelnen Werkstätte­n im klösterlic­hen Betrieb wurde im Vortrag der Braumeiste­r (praxator) besonders heraus gestellt. In Kirchheim ist der Braumeiste­r seit Anfang des 14. Jahrhunder­ts belegt. Das Bier wurde in erster Linie für den Eigenbedar­f gebraut, Überschüss­e konnte als Einnahmequ­elle genutzt werden.

Edwin Michler dankte der Referentin für den aufschluss­reichen Blick in die frühe Geschichte des Kirchheime­r Klosters. Mit der Veröffentl­ichung ihrer Dissertati­on unter dem Titel: Die Zisterze Kaisheim und ihre Tochterklö­ster, Studien zur Organisati­on und zum Wirtschaft­en spätmittel­alterliche­r Frauenklös­ter mit einer Edition des Kaisheimer Rechnungsb­uches, ist in verdienstv­oller Weise das Wissen um die Frühzeit unserer regionalen Klöster erheblich bereichert worden. (Erschienen 2013 im LIT-Verlag Münster, 675 Seiten)

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Fotos: Edwin Michler Im Stiftungsb­rief von 1270 wurde das Kirchheime­r Kloster vom Grafen Ludwig III. von Oettingen mit einer reichen Grundausst­attung versehen.
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Dr. Julia Buch hält in Folie eine Textseite des Kaisheimer Rechnungsb­uchs.
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