Gemeinden dürfen nicht für Unwetter Opfer spenden
In Otting ist ein Millionen-Schaden entstanden. Viele Räte wollten helfen. Doch sie dürfen nur die Gemeinde unterstützen, nicht die Betroffenen selbst
Die Kommunen dürfen den betroffenen Bürgern des Unwetters von Otting kein Geld spenden – nur der Gemeinde selbst.
Nördlingen/Otting Nur etwa 15 Minuten habe das Unwetter an Mariä Himmelfahrt gedauert, erinnert sich Bürgermeister Johann Bernreuther. Doch diese kurze Zeitspanne reichte aus, um einen Millionen-Schaden in der Gemeinde Otting zu verursachen. Mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter seien auf den kleinen Ort niedergeprasselt, sagt Bernreuther: „Von überall her kam das Wasser.“Straßen, Häuser, das Rathaus, das Schützenheim – alles wurde von einer braunen Brühe überschwemmt. Die Bilder aus Otting bewegten viele Bürger im Landkreis. Vereine und Unternehmen spendeten für die Unwetter-Opfer. Und auch einige Kommunen beschlossen, den Ottinger Bürgern Geld zukommen zu lassen. Doch genau das ist seit dem 16. Oktober nicht mehr möglich.
Genau genommen war es das sogar noch nie. Die Sprecherin des Landratsamtes, Gabriele Hoidn, bestätigt auf Anfrage unserer Zeitung: Kommunen dürfen nicht an Bürger direkt spenden, sie dürfen lediglich der Gemeinde Otting selbst Geld zukommen lassen. Das sei in der bayerischen Gemeindeordnung so geregelt. Man habe die Kommunen darüber informiert – eben Mitte Oktober. Bis dahin hatten sich aber schon mehrere Stadt- und Gemeinderäte im Landkreis entschieden, zu spenden. Insgesamt rund 34000 Euro seien so bereits zusammengekommen, sagt Bürgermeister Bernreuther. Diese Summe werde auch an die Bürger ausgeschüttet. Das Geld, das danach eingegangen sei – beziehungsweise noch eingehe – könne und dürfe er nicht weitergeben. Bernreuther findet die ganze Sache „ärgerlich“, jedoch: „Man kann das nicht ändern.“
Erst gestern, so berichtet Ottings Bürgermeister, sei ein Mann bei ihm gewesen, in dessen Keller ein Schaden von rund 80000 bis 100000 Euro entstanden sei. Wer nicht so viel Geld auf der Seite habe, müsse Kredite aufnehmen – wenn das überhaupt möglich sei. Insgesamt seien derzeit Spenden von Bürgern, Vereinen und Unternehmen in Höhe von rund 130 000 Euro für die Ottinger Bürger eingegangen. Das freut Bernreuther zwar, doch es sei angesichts der hohen Schäden „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Von den 80 betroffenen Familien hätten nicht einmal zehn Prozent eine Elementarversicherung, sagt der Bürgermeister. Die hat auch die Kommune nicht: „Wir hätten nicht damit gerechnet, dass es so schlimm kommt. Wir haben sechs Regenrückhaltebecken.“Wie hoch der Schaden der Gemeinde selbst ist, kann Bernreuther noch nicht beziffern: „Wir wissen nicht, was noch rauskommt.“Er rechnet aber mit einer Summe von rund 200000 bis 250 000 Euro. Unterstützung bekomme Otting für die Widerherstellung von Bachläufen, eine entsprechende Förderung könne man beim Wasserwirtschaftsamt beantragen.
Die Stadt Wemding hat sich bewusst dafür entschieden, die Nachbargemeinde zu unterstützen. Bürgermeister Martin Drexler sagt: „Wir sehen das als schicksalshaftes Ereignis.“Man sei nur „eine Minute“auseinander, das Unwetter hätte auch Wemding treffen können. Im Haupt- und Finanzausschuss des Nördlinger Stadtrates dagegen gab es bei der vergangenen Sitzung auch andere Meinungen. Den Ottinger Bürgern hätten die Räte 10 000 Euro gerne zukommen lassen – das hatte man auch im September beschlossen. Doch nach der Information des Landratsamtes wurde erneut über das Thema diskutiert. Für Schäden der Gemeinde sahen mehrere Räte den Freistaat in der Pflicht. Helmut Beyschlag (PWG) sagte beispiels- weise: „Es kann nicht sein, dass sich der Freistaat da aus der Verantwortung nimmt.“Die Entscheidung wurde schließlich vertagt.
Söder: „Freistaat lässt niemanden im Stich“
Bayerns Finanz- und Heimatminister Markus Söder sagt auf Anfrage unserer Zeitung: „Der Freistaat lässt niemanden im Stich, der durch ein Unwetter in eine Notlage gekommen ist.“Die Staatsregierung stelle den Geschädigten in Otting zielgerichtete Finanzhilfen zur Verfügung, teilt ein Sprecher mit: Betroffene, die sich in einer außergewöhnlichen Notlage befänden, könnten Notstandbeihilfen aus dem „Härtefonds“des Bayerischen Finanzministeriums erhalten, Ansprechpartner sei das Landratsamt. Außerdem seien „steuerliche Erleichterungen“möglich, etwa indem Steuern gestundet würden. Gewisse Ausgaben könnten steuerlich berücksichtigt werden. Maßnahmen, die die kommunale Infrastruktur betreffen, könnten unter gewissen Voraussetzungen gefördert werden, in Härtefällen komme die Bedarfszuweisung in Betracht.
Bürgermeister Bernreuther dagegen sagt, es werde wohl nur eine Familie vom Härtefonds profitieren. Geld bekomme nur derjenige, dessen Verdienst auf Hartz IV-Niveau liege und der seine Finanzen offen lege. Ob die Gemeinde die Bedingungen erfülle, um in Sachen Infrastruktur gefördert zu werden, stehe noch nicht fest. Und auch in Sachen Steuern gebe es noch Klärungsbedarf, CSU-Landtagsabgeordneter Wolfgang Fackler sei bei diesem Punkt eingeschaltet. Das Hochwasser sei nur als 50-jährliches eingestuft worden, sagt Bernreuther: „Man bleibt leider allein gelassen.“
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