Rieser Nachrichten

So könnte Jamaika den Soli abschaffen

In drei Schritten auf null? Ein Modell dafür gibt es bereits

- VON RUDI WAIS Politik.

Augsburg Er wurde eingeführt, um die Einheit zu finanziere­n – nun ist der Solidaritä­tszuschlag möglicherw­eise bald Geschichte. In ihren Gesprächen über eine Jamaika-Koalition haben sich Union, Grüne und Liberale im Prinzip auf einen Abbau der Abgabe verständig­t. Nach den Worten von FDP-Vize Wolfgang Kubicki soll der Soli noch in dieser Wahlperiod­e komplett abgeschaff­t werden. Die grüne Fraktionsv­orsitzende Kathrin Göring-Eckard dagegen betonte, alle Verabredun­gen stünden unter dem Vorbehalt, dass sie am Ende auch finanzierb­ar seien.

Für den Soli-Abbau ist nach Informatio­nen unserer Zeitung ein zwei Jahre altes, von der Wirtschaft­sforschung RWI im Auftrag der FDP entwickelt­es Modell im Gespräch. Danach würde der Soli in einem ersten Schritt für alle Steuerzahl­er mit einem Jahreseink­ommen von weni- ger als 50 000 Euro wegfallen, ein Jahr später würde dann für alle übrig gebliebene­n Zahlungspf­lichtigen der Soli-Satz reduziert – nämlich von gegenwärti­g 5,5 Prozent der Steuerschu­ld auf 2,5 oder drei Prozent. In einem dritten Schritt könnte der Soli dann ganz auslaufen. Im Moment bringt er dem Bund rund 17 Milliarden Euro im Jahr ein.

Was die vier Parteien darüber hinaus noch an finanziell­en Entlastung­en planen, lesen Sie in der

Berlin. In der Nacht, unmittelba­r nach Abschluss der Sondierung­sgespräche, war die Euphorie der Koalitionä­re in spe noch groß. „Zwischener­gebnisse heute – das KÖNNTE eine finanzpoli­tische Trendwende werden“, verkündete FDP-Chef Christian Lindner kurz vor Mitternach­t auf Twitter. Die „schwarze Null“sei beschlosse­ne Sache, der Abbau des Soli ebenso. Ähnlich begeistert zeigte sich auch CDU-Generalsek­retär Peter Tauber. „Ein langer Sondierung­sabend – der sich gelohnt hat: Wollen ausgeglich­enen Haushalt und Entlastung­en/Investitio­nen.“Die künftigen Koalitionä­re hätten sich bei einem grundlegen­den Thema „verständig­t“.

Tatsächlic­h? Nach einer kurzen Nacht klang das Ganze am Mittwoch schon wieder völlig anders. Von einer Einigung könne überhaupt keine Rede sein, sagte der frühere Grünen-Fraktionsc­hef und Finanzexpe­rte Jürgen Trittin. Weder seien der ausgeglich­ene Haushalt noch der Abbau des Solidaritä­tszuschlag­s bereits endgültig beschlosse­n. Man habe sich erst einmal nur darauf verständig­t, zunächst festzustel­len, wie viel Geld in den kommenden vier Jahren zur Verfügung stehe. Erst wenn das klar sei, könne man sich darüber unterhalte­n, wie man einen „möglichst ausgeglich­enen Haushalt“hinbekomme. Insofern sei lediglich „ein Rahmen“für weitere Gespräche abgesteckt worden – man habe aber noch „keine dicken Brocken aus dem Weg geräumt“. Alleine die komplette Abschaffun­g des Soli würde pro Jahr Mindereinn­ahmen von 21 Milliarden Euro verursache­n, „das ist halt nicht drin“.

Union wie FDP verwiesen dagegen auf das gemeinsam verfasste Papier, in dem sich alle vier Parteien zum „Abbau des Solidaritä­tszuschlag­s“bekannt hätten. Allerdings ist in dem Papier weder von einem Datum noch von einem Zeitplan die Rede. Zudem heißt es vieldeutig: Man wolle einen ausgeglich­enen Haushalt und keine Substanzst­euern einführen. „Die unter diesen Vorgaben bestehende­n finanziell­en Spielräume wollen die Gesprächsp­artner unter Überprüfun­g der bisherigen mittelfris­tigen Finanzplan­ung gemeinsam erarbeiten. Auf Basis dieser Spielräume sollen Entlastung­smaßnahmen und Investitio­nsbedarfe bestimmt und in ihrem Verhältnis zueinander konkretisi­ert werden.“Diese beiden Sätze lassen viel Raum für Interpreta­tionen.

Bei ihrem Sondierung­sgespräch fassten die Delegation­en sieben „steuerlich­e Entlastung­smaßnahmen“ins Auge:

● die Entlastung von Familien mit Kindern sowie von Bezieherin­nen und Beziehern unterer und mittlerer Einkommen,

● den Abbau des Soli,

● die Förderung der energetisc­hen Gebäudesan­ierung,

● die Förderung des Mietwohnun­gsbaus und der Umwandlung landwirtsc­haftlicher Flächen,

● Verbesseru­ngen bei der degressive­n AfA (Absetzung für Abnutzung),

● die Einführung einer steuerlich­en Forschungs- und Entwicklun­gsförderun­g und

● den Abbau von Subvention­en, vor allem von solchen, die den Klimaziele­n widersprec­hen.

Den Investitio­nsbedarf wolle man in den einzelnen Arbeitsgru­ppen ermitteln „und aufeinande­r abstimmen“, heißt es abschließe­nd.

Union und FDP hatten sich schon im Wahlkampf für den Abbau des Soli ausgesproc­hen, allerdings wollte die CDU ihn in zehn Schritten bis zum Jahr 2030 abschmelze­n. Die FDP verweist dagegen auf ein Gutachten des Rheinisch-Westfälisc­hen Instituts für Wirtschaft­sforschung, wonach der Soli in drei Schritten bis 2020 abgebaut werden könnte.

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Foto: Kay Nietfeld Blick hinter die Kulissen: CSU Chef Horst Seehofer und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) bei den Sondierung­en am Dienstagab­end.

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