Mann lenkt Auto absichtlich in Gegenverkehr
Ein 51-Jähriger aus dem Landkreis will sich umbringen und verursacht einen schweren Unfall. Dafür wird er nun bestraft
Mertingen/Nördlingen Es ist ein Horrorvorstellung: Ein lebensmüder Mann setzt sich ins Auto, fährt los und reißt in der Dunkelheit auf einer Landstraße unvermittelt das Steuer nach links, um absichtlich einen Frontalzusammenstoß mit einem anderen Fahrzeug herbeizuführen. Genau das ist auf der Staatsstraße zwischen Mertingen und Lauterbach passiert. Ein 51-Jähriger verursachte dort auf geschilderte Weise einen schweren Unfall. Ganz vielen Schutzengeln und glücklichen Fügungen sei es zu verdanken, dass es zu keiner Katastrophe kam, stellte nun Helmut Beyschlag, Vorsitzender des Schöffengerichts in Nördlingen, fest. Dort musste sich der Verursacher strafrechtlich verantworten.
Der Angeklagte – er stammt aus dem südlichen Donau-Ries-Kreis – redete im Gerichtssaal erst gar nicht um den heißen Brei herum: „Die ganze Angelegenheit tut mir leid.“Der Familienvater erklärte, wie es so weit kommen konnte: Am 30. Dezember 2016 habe er mit seiner Frau einen heftigen Streit gehabt. In der Folge habe sie ihm eröffnet, dass sie sich von ihm trennen wolle. Der 51-Jährige, der schon länger Depressionen hatte, spülte seinen Frust zunächst mit eineinhalb Litern Schnaps hinunter. Dann stieg er um etwa 18 Uhr in seinen Wagen, um sich umzubringen: „Ich war auf der Suche nach einem passenden Baum.“Den fand der Betrunke- ne – er hatte über 1,6 Promille Alkohol – aber nicht, wie er sagte. Deshalb habe er spontan beschlossen, frontal gegen einen Lastwagen zu krachen. Der Hintergedanke sei gewesen: „Dessen Fahrer sitzt hoch, da kann ihm nichts passieren.“
Im nächsten Moment habe er von Mertingen her zwei Lichter auf sich zukommen sehen: „Ich dachte, es wäre ein Lkw.“Doch es war keiner. Der Mann schoss auf ein anderes Auto zu, in dem ein Paar, das ebenfalls aus dem südlichen Landkreis Donau-Ries stammt, auf dem Weg zum Sport im angrenzenden LandkreiDer s Dillingen war. Fahrer, 37, reagierte geistesgegenwärtig: Er wich bei einer Geschwindigkeit von 80 bis 90 Stundenkilometern etwas nach rechts aus. Damit verhinderte er einen Frontalzusammenstoß. Die beiden Pkw krachten aber immer noch seitlich ineinander. Der Wagen mit den beiden Opfern geriet außer Kontrolle, überschlug sich auf der Straße, rutschte ein Stück auf dem Dach, schoss dann eine Böschung hinab, überschlug sich erneut und blieb auf den Rädern in einem Acker stehen.
Wie durch ein Wunder kamen der 37-Jährige und seine Partnerin, 34, mit Schleudertraumata, Prellungen und Blutergüssen davon. Die waren freilich ziemlich schmerzlich: Der Mann war zwei Wochen krankgeschrieben, die Frau vier. Auch heute noch ist der 37-Jährige in Behandlung. Bei nächtlichen Autofahrten beschleiche sie noch immer ein ungutes Gefühl, wenn ein anderer Wagen entgegenkomme, berichteten die beiden vor Gericht. Ihr Wagen hatte nur noch Schrottwert. Der Schaden: rund 23 000 Euro.
Der Verursacher kam mit einem Kratzer an der Hand davon. Gegenüber Ersthelfern und dem 37-Jährigen äußerte er sogleich seinen (gescheiterten) Selbstmordversuch. Die Aktion brachte dem 51-Jährigen ein Verfahren wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, fahrlässiger Trunkenheit und gefährlicher Körperverletzung ein. „Dahinter steckt eine unglaubliche Dramatik“, so Richter Beyschlag.
Er führte dem Angeklagten vor Augen, welch fatale Folgen seine Entscheidung nach sich hätte ziehen können – auch bei einem Zusammenstoß mit einem Laster. Der Mann habe sich zwar in einer Ausnahmesituation befunden, aber in Kauf genommen, andere in Lebensgefahr zu bringen. Oder anders ausgedrückt: „Es hätte drei Leuten das Leben kosten können.“Anwalt Lambert Kunz, der die Opfer in ihrer Rolle als Nebenkläger vertrat, erklärte: „Das Schlimme hier ist, dass man Unschuldige mit einbezieht.“Verteidiger Horst Welscher sprach neben der schwierigen psychischen Lage seines Mandanten auch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Unfalls an. Dieser werde den 51-Jährigen bis zu 50000 Euro kosten. Während Welscher eine Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung für angemessen hielt, forderte Staatsanwältin Katharina Korn ein Jahr und neun Monate.
Das Schöffengericht entschied auf eine Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren zur Bewährung. Der Strafrahmen lag zwischen drei Monaten und siebeneinhalb Jahren. Ein Gutachter hatte festgestellt, dass zum Unfall-Zeitpunkt verminderte Schuldfähigkeit nicht auszuschließen sei. Der Verurteilte muss zudem mindestens zwei Jahre auf seinen Führerschein verzichten und 1000 Euro an die Gebietsverkehrswacht zahlen.