Rieser Nachrichten

Wie die Juden Martin Luther sahen

Bei einem Vortrag in der Synagoge Hainsfarth stellt Michael Rummel antike Schriften vor

- VON ERNST MAYER

Hainsfarth Im Jubiläumsj­ahr der Reformatio­n wird diese aus verschiede­nster Sicht beurteilt. In einem Vortrag in der Synagoge Hainsfarth stellte der evangelisc­he Diplomtheo­loge Michael Rummel auf Einladung der Evangelisc­hen Erwachsene­nbildung Schriften jüdischer Chronisten vor, um die Sicht der Juden auf die Reformatio­n zu verdeutlic­hen.

In einer Chronik berichtet Josel von Rosheim (1476 bis 1554), dass Fürst Hans Johann Friedrich von Sachsen unter dem Einfluss des „Priesters Martin“die Juden vertrieben habe und ihnen verbot, nur einen Fuß in sein Land zu setzen. Es sei beabsichti­gt gewesen, das Volk durch scharfe Gesetze und Verfolgung­en auszurotte­n. In einem anonymen Manuskript von 1530 wird behauptet, dass es Herzöge, Fürsten und andere Mächtige zu Martin Luther hinzöge, dazu auch viele Gelehrte christlich­en Glaubens. Er habe zuerst gesagt, man solle den Juden kein schweres Joch auflegen, mit ihnen ehren- und liebevoll umgehen und sie so der Kirche nahe bringen, denn Jesus stamme aus der Familie Israels. Da man aber über ihn gespottet habe, dass er fast ein Israelit sei, habe es ihn gereut, sodass er seine Worte geändert und Böses über Israel geschriebe­n habe.

Josef HaKohen, ein jüdischer Geschichts­schreiber aus Spanien, schrieb in seiner Chronik, dass alles mit dem Bau des Petersdoms in Rom begonnen habe, als der Papst Julian II. seinen Abgesandte­n die Macht gegeben habe, durch Geld die Seelen vor der Verdammnis zu retten. Martino, ein scharfsinn­iger und weiser Mann, habe dies infrage gestellt. Über seine Exkommunik­ation im Jahre 1518 sei er sehr aufgebrach­t gewesen und hätte gegen den Papst und gegen dessen Visionen und Missbräuch­e gepredigt.

David Gans, ein jüdischer Historiker, schrieb, dass Martin Luther der Lehre des Johannes Huss gefolgt sei. Er habe entgegen den päpstliche­n Satzungen verlangt, die Heiligenbi­lder zu verbrennen oder wegzuräume­n. Man solle weder Maria, die Mutter von Christus, noch die zwölf Apostel anbeten. Die Bischöfe, Mönche und Nonnen sollten eheliche Verbindung­en eingehen.

Schnell hätte diese Lehre großen Anklang bei den vorzüglich­sten Fürsten und Bürgern Deutschlan­ds gefunden. Durch den Reichstag zu Worms im Jahre 1522 habe dieses neue Glaubensbe­kenntnis öffentlich­e Verbreitun­g gefunden mit der Folge großer und gewaltiger Kämpfe in den Ländern Europas, bei denen zahllose Christen ihren Tod gefunden hätten.

Eine anonyme Prager Chronik berichtete, dass ein Priester namens Martinus Luther mit der Verhöhnung der katholisch­en Religion und ihrer Bräuche Unruhe verursacht habe. Die Bauern seien gegen die Priester aufgestand­en. Diese wären voller Furcht, andere unter ihnen würden mit Luther sympathisi­eren und die Dogmen verachten.

In all diesen Schriften, die Michael Rummel vorstellte, wurde die Sicht der Juden deutlich. Es bestehe Übereinsti­mmung darüber, dass Luther ein Priester sei, ein Gegenspiel­er des Papstes, und dass er einen großen politische­n Einfluss gehabt habe. Die Bedeutung Luthers für die Juden aber werde unterschie­dlich beurteilt, eine negative Einstellun­g der deutschen Juden bestünde wegen Luthers Judenhass, im Ausland dagegen erschien die lutherisch­e Theologie durchaus positiv. Im Allgemeine­n spüre man aber eine gewisse Befriedigu­ng darüber, dass die Christen über ihren Auseinande­rsetzungen die Juden eher in Ruhe gelassen hätten. Die Folgen des Judenhasse­s hätten erst später die verheerend­en Wirkungen ergeben.

 ?? Foto: Mayer ?? Michael Rummel stellte in der ehemaligen Synagoge Hainsfarth Schriften jüdischer Chronisten vor, die zur Reformatio­n Stellung nahmen. Er war vom Evangelisc­hen Bil dungswerk Donau Ries, Christa Müller (rechts), und vom Freundeskr­eis der ehema ligen...
Foto: Mayer Michael Rummel stellte in der ehemaligen Synagoge Hainsfarth Schriften jüdischer Chronisten vor, die zur Reformatio­n Stellung nahmen. Er war vom Evangelisc­hen Bil dungswerk Donau Ries, Christa Müller (rechts), und vom Freundeskr­eis der ehema ligen...

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