Rieser Nachrichten

Clarissa Hopfensitz begeistert mit „Wahnsinnsw­eiber“

Clarissa Hopfensitz wird für ihren grandiosen Auftritt im Schrannens­aal gefeiert. Das Stück „Wahnsinnsw­eiber“hat die Nördlinger­in selbst geschriebe­n

- VON TONI KUTSCHERAU­ER

Nördlingen Die Sorge um mangelnden Zuspruch erwies sich als unbegründe­t: der Nördlinger Schrannens­aal war am Freitagabe­nd restlos ausverkauf­t, im Eingangsbe­reich wurden sogar noch Stehtische aufgestell­t. „Wahnsinnsw­eiber“heißt die historisch­e Tragikomöd­ie, welche die Schauspiel­erin und Sängerin Clarissa Hopfensitz zum Abschluss ihrer Tournee in ihrer Heimatstad­t zur Aufführung brachte. Darin wird das Leben von sechs Frauen beleuchtet, allesamt „in der Blüte ihres Lebens, die in ihrer Kreativitä­t gefangen und ihrer Selbstbest­immung beraubt“sind. So wie in der Rahmenhand­lung Valeri Deli, als „Erfinderin der Design-Toilettend­eckel“geschäftli­ch höchst erfolgreic­h, jedoch von Albträumen verfolgt. In einer „Gruppenhyp­nose“mit dem Publikum führt sie die Frauen aus verschiede­nen Epochen vor, die eine Gemeinsamk­eit eint: Sie wurden von ihren Zeitgenoss­en für verrückt oder wahnsinnig gehalten.

Etwa Juana La Loca (1479 bis 1555), die als Titularkön­igin von Kastilien von einer obsessiven Liebe zu ihrem Gemahl Philipp getrieben ist. Voll rasender Eifersucht versucht sie nicht nur, Frauen von ihm fern zu halten, sondern zieht nach Philipps plötzliche­m Tod mit dessen Sarg monatelang durchs Land. Die schwermüti­ge „Sissi“wiederum, Kaiserin von Österreich (1837 bis 1898), leidet unter der Lieblosigk­eit des Gatten Franz-Josef ebenso wie unter der Enge des spanischen Hofzeremon­iells: „Ich krieg einfach keine Luft mehr hier drinnen.“Opfer einer paranoiden Persönlich­keitsspalt­ung wird dagegen die französisc­he Bildhaueri­n und Malerin Camille Claudel (1864 bis 1943). Sie fühlt sich von ihrem künstleris­chen Ziehvater und Geliebten Rodin ausgebeute­t und verbringt die letzten 30 Jahre ihres Lebens in Irrenansta­lten.

Ausdruckss­tark und mit außerorden­tlichem Einfühlung­svermögen schlüpft Clarissa Hopfensitz in all diese Rollen. In intensiven Darstellun­gen haucht sie ihnen Leben ein und skizziert von jedem „Wahnsinnsw­eib“per Monolog ein Charakterb­ild, das sich dem Zuschauer trotz der Kürze der Szenen auch dann erschließt, wenn dieser den jeweiligen Lebenslauf nicht kennt.

So wie bei der englischen Schriftste­llerin Virginia Woolf (1882 bis 1941), die zu ihrer Homosexual­ität steht und bis zu ihrem Freitod vergeblich um ihre Lebensmaxi­me kämpft: „Lass niemanden anders über dein Leben bestimmen, es gehört nur dir allein.“Beeindruck­end auch die Figur der begnadeten griechisch­en Operndiva Maria Callas (1923 bis 1977) die exaltierte „Primadonna assoluta“echauffier­t sich über schlechte Kritiken und verzweifel­t an ihrer verlorenen Liebe zum Milliardär Onassis. Schlussakk­ord und Höhepunkt ist die Darstellun­g der erst vor wenigen Jahren verstorben­en Popsängeri­n Amy Wi- nehouse (1983 bis 2011). Zugedröhnt und mit einer Flasche Schampus in der Hand resümiert sie auf der Bühne ihr – trotz Weltkarrie­re – verkorkste­s junges Leben. Aus ihrem kaputten Elternhaus und nach Eheproblem­en flieht sie, „ausgesaugt vom Publikum“, in die todbringen­de Sucht.

Authentisc­h und eindringli­ch transporti­ert Clarissa Hopfensitz, die auch für Text und Regie verantwort­lich zeichnet, in „Wahnsinnsw­eiber“all die Emotionen und Eigenheite­n ihrer Charaktere auf die Bühne und von dort ins Publikum. Trauer und Wut, Schmerz und Leiden, Ekstase und Verzweiflu­ng, Ängste und Psychosen – all das wird für den Besucher greifbar, fühlbar, erlebbar. Zudem beeindruck­en ein facettenre­iches Mienenspie­l und eine präzise modulierte Sprache, bis hin zum österreich­ischen Dialekt der „Sissi“. Abgerundet wird der gelungene „Spagat zwischen Komik und Ernst, Historie und Gegenwart“durch geschmackv­olle und am jeweiligen Zeithinter­grund orientiert­e Kostüme sowie wunderbare Gesangsein­lagen, deren Bandbreite von einer Callas-Opern-Arie bis zum furiosen Amy WinehouseT­ophit „Valerie“reicht.

Am Ende ihres großartige­n Auftritts wird eine sichtlich berührte Clarissa Hopfensitz vom heimischen Publikum lautstark und minutenlan­g gefeiert. In Anlehnung an den Programmti­tel meint eine begeistert­e Zuschaueri­n: „Ein Wahnsinn, dieses Weib!“

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Fotos: Kutscherau­er Clarissa Hopfensitz schlüpfte am Freitagabe­nd für ihr Stück „Wahnsinnsw­eiber“gleich in mehrere Rollen (von links oben im Uhr zeigersinn): Juana La Loca, Sissi, Camille Claudel, Amy Winehouse, Maria Callas und Virginia Wolf.
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