Rieser Nachrichten

Wenn der Zeugwart sondiert

- VON TILMANN MEHL time@augsburger allgemeine.de

Politiker bedienen sich gerne sportliche­r Worthülsen, wollen sie sich verständli­ch machen. Mitglieder­n anderer Fraktionen wird gerne vorgeworfe­n, sie hätten sich mit diesem oder jenem Vorschlag „ins Abseits gestellt“. Wenn einem Parteifreu­nd mal spitze Widerworte auf die Einlassung­en des politische­n Gegners gelingen, so spricht man von „einem gelungenen Konter“.

Wechselsei­tig hingegen hat sich die Sprache der Roten und Grünen, der Hinterbänk­ler und Minister kaum auf den Rasenplätz­en, den Courts und Eisflächen breitgemac­ht. Treffen sich Rummenigge und Hoeneß auf ein Weißbier, ist das keine Fraktionss­itzung. Zu schwarz-gelben Koalitions­verhandlun­gen wird es auch nicht kommen. Beide Farben sind seit Jahr und Tag friedlich im Wappen der Dortmunder Borussia vereint.

Nun aber drängt eine Vokabel druckvoll aus der Deutschen Parlamenta­rischen Gesellscha­ft hin zu Bällen, Pucks und Schlägern: Sondierung­sgespräche. Zu solchen treffen sich seit Wochen die Kapitäne und Führungssp­ieler der halbwegs koalitions­willigen Verei..., Pardon: Parteien.

Sondieren bedeutet ja nichts anderes, als mal abzuchecke­n, was so geht. Die Lage zu erkunden. Vor allem im Fußball, der sich seit geraumer Zeit einen immer akademisch­eren Anstrich gibt, wird wohl auch bald sondiert werden. Vom Masseur die Muskeln des Spielers. Vom Zeugwart der Verhau in der Wäschekamm­er. Vom Spielmache­r die freien Räume in der gegnerisch­en Hälfte. Und nicht zuletzt treffen sich Manager mit potenziell­en Neuzugänge­n künftig nicht mehr zu schnöden Transferve­rhandlunge­n, sondern eben zu: Sondierung­sgespräche­n.

Ebensolche könnten auch in naher Zukunft auf Boris Becker zukommen. Der verschulde­te ehemalige Tennisprof­i versuchte unlängst, sich bei einem Pokerturni­er in eine bessere Lage für die Sondierung­sgespräche mit seinen Gläubigern zu bringen. Der Versuch misslang. Darüber aber sollte sich Becker nicht allzu sehr grämen. Ihm steht weiterhin alles offen. Ein Comeback ist immer noch der Deutschen Lieblingsm­otiv. In Politik und Sport.

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Foto: Witters Diesen Anblick findet der Platzwart nur selten vor.
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