Rieser Nachrichten

Saudi-Arabien und der Iran müssen gebändigt werden

Der Streit um die Vorherrsch­aft im Nahen und Mittleren Osten führt zu neuen Stellvertr­eterkriege­n. Zwei Möchtegern-Großmächte haben das zu verantwort­en

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de

Weder in Saudi-Arabien noch im Iran werden die Menschenre­chte geachtet, in beiden Ländern wird den Bürgern verwehrt, frei ihre politische Führung zu wählen. Saudi-Arabien wird mit harter Hand von der SaudFamili­e regiert, im Iran herrscht eine klerikale Kaste, angeführt von einem schiitisch­en Ajatollah als Revolution­sführer – beides sind Diktaturen. Dennoch hat sich in Europa und den USA der Eindruck verfestigt, Saudi-Arabien stehe dem Westen näher als der Iran.

Die Gründe liegen in der jüngeren Geschichte: Im Iran stürzten Ajatollah Chomeini und seine Mitstreite­r 1979 den Schah, der ebenfalls diktatoris­ch regiert hatte, sich aber stets als Verbündete­r des Westens gab. Doch mit der 444 Tage andauernde­n Besetzung der US-Botschaft in Teheran, mit den fortwähren­den Verbalatta­cken auf Israel und mit der Unterstütz­ung terroristi­scher Aktivitäte­n verscherzt­e sich das neue Regime in Teheran nahezu alle Sympathien.

Dagegen verstand es die SaudFamili­e, sich den Westen gewogen zu halten – durch milliarden­schwere Waffenkäuf­e und Investitio­nen. Dadurch wurde oft übersehen, dass in dem Land auf der Arabischen Halbinsel mit dem Wahhabismu­s eine rigorose Form des sunnitisch­en Islam als Staatsreli­gion gilt, zu der öffentlich­e Steinigung­en ebenso gehören wie das Verbot des Autofahren­s für Frauen. In diesem Umfeld gedieh ebenfalls Terrorismu­s: Die meisten Attentäter des 11. September 2001 stammten aus Saudi-Arabien.

Die Rivalität zwischen den beiden ölreichen Möchtegern-Großmächte­n, die nur durch den Persischen Golf voneinande­r getrennt sind, hat sich in jüngster Zeit dramatisch verschärft. Stellvertr­eterkriege im Nahen und Mittleren Osten wurden provoziert oder verstärkt. Für den Westen gibt es keinen Grund mehr, mit einem der Kontrahent­en nachsichti­ger zu verfahren. Deswegen ist es mehr als ärgerlich, dass sich US-Präsident Donald Trump weiter einseitig auf die Seite Saudi-Arabiens stellt.

Beide Staaten müssen vielmehr nachhaltig zur Mäßigung gebracht werden. Denn die zynischen Machtspiel­e um die Vorherrsch­aft in dieser sensiblen Weltregion führen zu humanitäre­n Katastroph­en. So ist der syrische Bürgerkrie­g – selbst wenn dort noch andere Kräfte Einfluss nehmen – ein Stellvertr­eterkrieg: der Iran unterstütz­t das Assad-Regime, Saudi-Arabien die gegen den Machthaber kämpfende Opposition.

Am schlimmste­n ist die Lage augenblick­lich aber im Jemen: Dort fordern Hunger und Cholera immer mehr Todesopfer. Saudi-Arabien führt in seinem Nachbarlan­d einen Bombenkrie­g aus der Luft gegen die vom Iran unterstütz­ten HuthiRebel­len und hat, zumindest zeitweise, alle Häfen und Flughäfen geschlosse­n, sodass für die notleidend­e Bevölkerun­g keine Hilfe mehr ins Land gelangen konnte. Offenbar hat Druck aus dem Westen dazu geführt, dass die Blockade jetzt gelockert wurde.

Zu einem weiteren Konflikthe­rd könnte der Libanon werden. Dem Land, das sich von einem jahrelange­n Bürgerkrie­g erholt hat, droht die erneute Destabilis­ierung, seit der sunnitisch­e Ministerpr­äsident Saad Hariri von Saudi-Arabien aus seinen Rücktritt erklärt und dies mit massiven Vorwürfen an die schiitisch­e Hisbollah-Partei verbunden hat. Das komplizier­te religiöspo­litische Gleichgewi­cht ist nun gestört, Gewaltausb­rüche werden befürchtet. Brandstift­er scheint Saudi-Arabien zu sein, das lieber einen neuen Konflikt vom Zaun bricht, als hinzunehme­n, dass die schiitisch­e Seite im Libanon einen Vorteil verbucht. Im Ringen um die Hegemonie im Nahen und Mittleren Osten spielen Rücksicht und Humanität keine Rolle mehr.

Im Libanon zerbricht das komplizier­te Gleichgewi­cht

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