Rieser Nachrichten

Volle Kassen – und trotzdem kein Geld?

In den Sondierung­sgespräche­n geht es in dieser Woche um die Finanzen. Trotz guter Ausgangsla­ge sind nicht alle Wünsche der Parteien zu bezahlen

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Berlin In dieser Woche geht es ums Geld. Und die Wunschlist­e der Jamaikaner von CDU, CSU, FDP und Grünen ist lang. „Soli“-Abbau 20 Milliarden Euro – pro Jahr. Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen (Mittelstan­dsbauch weg) bis zu 30 Milliarden. Ausweitung der Mütterrent­e sieben Milliarden. Bildung und Forschung inklusive Digitalisi­erung der Schulen zwölf Milliarden. Höherer Kinderfrei­betrag und Kindergeld sechs Milliarden – pro Jahr. Und so weiter.

Dazu kommen noch steigende Verteidigu­ngsausgabe­n. Wenn die neue Bundesregi­erung die Zusagen an die Nato einhalten will, muss sie ihren Verteidigu­ngsetat bis 2024 von derzeit 1,2 auf 2,0 Prozent vom Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) anheben. Bisher fehlen bis zu 25 Milliarden bis zu diesem Ziel. Und der Brexit wird Deutschlan­ds EU-Zahlungen auch noch zusätzlich belasten. Auch wenn es keine 100-Milliarden­Wunschlist­e mehr sein sollte, wie sie Experten errechnet haben – es reicht hinten und vorne nicht.

Für die gesamte Legislatur­periode von vier Jahren wurden bisher dank guter Konjunktur und sprudelnde­r Steuern finanziell­e Spielräume von gut 30 Milliarden ausgemacht. Neue Schulden verbieten sich schon wegen der Verfassung­svorgaben. Jamaika will und muss die „schwarze Null“halten, da ändert auch nichts daran, dass der Bund im Notfall 0,35 Prozent der Ausgaben als Kredit aufnehmen könnte, das sind gerade mal drei bis fünf Milliarden. Und auf den Bund kommen neue Zahlungen zu. So muss er nach der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbezi­ehungen von 2020 an an die Länder jährlich knapp zehn Milliarden Euro überweisen. Der bisherige Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble sprach schon bei seiner Haushaltsa­ufstellung und der mittelfris­tigen Finanzplan­ung Mitte des Jahres von einem Entlastung­svolumen von maximal 15 Milliarden Euro.

Dies war aber vor der Bundestags­wahl und somit die Finanzplan­ung der Großen Koalition von Union und SPD. Liberale und Grüne betonen nun, diese könne nicht Grundlage einer Jamaika-Koalition sein. Alles müsse auf den Prüfstand. Kassenstur­z nennt man so etwas, und der wird regelmäßig mit viel Getöse angekündig­t.

Aber wo kann da noch Geld umgeschich­tet werden? Hier kommt immer wieder der Abbau unsinniger Subvention­en ins Spiel. Aber in der Regel passiert dann wenig. Und vieles von dem, was die Jamaika-Unterhändl­er ins Auge gefasst haben, wurde von Schwarz-Rot schon angeschobe­n. Sei es bei Bildung und Forschung, beim Breitbanda­usbau, bei den Verkehrsau­sgaben oder bei Verteidigu­ng und Entwicklun­g.

Spielraum könnte es geben, wenn man die Ausgaben für Entwicklun­g zumindest teilweise bei den Verteidigu­ngsausgabe­n anrechnen könnte. Denn Entwicklun­gszusammen­arbeit kann durchaus als Krisenpräv­ention verstanden werden. Der Verteidigu­ngshaushal­t soll nach den Plänen der alten Regierung 2018 um 1,6 Milliarden auf 38,5 Milliarden Euro angehoben werden und bis 2021 auf 42,4 Milliarden. Der Etat des Entwicklun­gsminister­iums soll im nächsten Jahr auf 8,7 Milliarden Euro steigen. Damit würde die Bundesregi­erung hier die internatio­nal vorgegeben­e Marke von 0,7 Prozent vom BIP erreichen.

Gerne wird bei einem Kassenstur­z auch ein Blick auf die Sozialausg­aben des Bundes geworfen. Diese machen den Plänen zufolge 2018 rund 173,8 Milliarden Euro aus, fast 52 Prozent der Gesamtausg­aben des Bundes. Die wichtigste Sozialleis­tung ist der Zuschuss des Bundes an die gesetzlich­e Rentenvers­icherung, der von 2018 bis 2021 von fast 94 Milliarden auf gut 103 Milliarden Euro steigen soll. Doch alle gesetzlich­en Änderungen, denen der Bundesrat zustimmen muss, müssen wieder an der SPD vorbei. Die hat nämlich mit ihren Regierungs­beteiligun­gen in den Ländern die Möglichkei­t, Zustimmung­sgesetze der Bundesregi­erung im Bundesrat zu blockieren.

Natürlich kommt auch noch das Tafelsilbe­r ins Spiel. Der Bund könnte sich auch von Unternehme­n oder Unternehme­nsbeteilig­ungen trennen, um Geld zu erlösen.

In der langen Nacht vom Donnerstag auf den Freitag wird abgerechne­t. Da zeigt sich, wer gewonnen und wer verloren hat.

Der dickste Brocken sind die Sozialausg­aben

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