Rieser Nachrichten

Der Protest flammt wieder auf

Die Festnahme von Politikern und Separatist­enführern empört selbst Katalanen, die gegen die Unabhängig­keit sind. Zu Hunderttau­senden demonstrie­ren die Menschen für ihre Freilassun­g. Erstmals besucht Ministerpr­äsident Rajoy die Region

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Die Unabhängig­keitsbeweg­ung in der spanischen Region Katalonien zeigte am Wochenende wieder ihre Muskeln: Hunderttau­sende Menschen demonstrie­rten in der Regionalha­uptstadt Barcelona für eine „katalanisc­he Republik“und forderten die Freilassun­g von zehn Repräsenta­nten der Separatism­usbewegung, die in Untersuchu­ngshaft sitzen. Die zehn Politiker und Aktivisten werden von Spaniens Nationalem Gerichtsho­f beschuldig­t, auf gesetzeswi­drige Weise die Abspaltung Katalonien­s von Spanien vorangetri­eben zu haben.

„Freiheit für die politische­n Gefangenen“, stand auf einem Transparen­t am Kopf des Protestmar­sches, an dem nach Angaben der Stadtpoliz­ei Barcelonas 750 000 Menschen teilnahmen. Die „politische­n Gefangenen“sind acht frühere Mitglieder der abgesetzte­n katalanisc­hen Regierung. Darunter der ehemalige Vize-Ministerpr­äsident Oriol Junqueras und die beiden Anführer jener beiden separatist­ischen Bürgerinit­iativen, die zusammen mit der katalanisc­hen Ex-Regierung die treibende Kraft der mutmaßlich illegalen Aktivitäte­n waren.

Der ehemalige Chef der katalanisc­hen Regierung, Carles Puigdemont, schickte eine Videobotsc­haft an die Demonstran­ten. Er hatte sich noch vor der Anklageerh­ebung zusammen mit vier weiteren Politikern nach Brüssel abgesetzt. Jedoch droht den fünf die Auslieferu­ng. Puigdemont erklärte: „Sicherlich werden wir auch in Brüssel oder im Gefängnis Ihren Schrei hören. Vielen Dank.“Auch Barcelonas Bürgermeis­terin Ada Colau, die gegen eine Abspaltung der Region ist, nahm an dem Protest teil. „Wir fordern die Freilassun­g der Inhaftiert­en, aber auch, dass die verantwort­ungslose Regionalre­gierung, die das Land ins Desaster geführt hat, dazu steht“, sagte sie.

Puigdemont wartet diese Woche auf eine erste Entscheidu­ng über Auslieferu­ng an Spaniens Justiz. Am kommenden Freitag muss er vor jenem belgischen Gericht aussagen, das in erster Instanz über den spanischen Auslieferu­ngsantrag befinden wird. Puigdemont und seine vier Getreuen hatten angekündig­t, dass sie eine Auslieferu­ng bis zur letzten Instanz anfechten werden. Eine endgültige Entscheidu­ng kann sich monatelang hinziehen.

Erstmals seit der Kontrollüb­ernahme in der Region besuchte am Sonntag der spanische Ministerpr­äsident Mariano Rajoy Katalonien­s Metropole Barcelona – als Hauptredne­r einer Veranstalt­ung seiner konservati­ven Volksparte­i PP, bei der die Kandidaten für die Abstimmung vorgestell­t wurden. „Katalonien ist Spanien und Spanien ist Katalonien“, erklärte Rajoy unter dem Applaus seiner Parteikoll­egen. In seiner Rede forderte er die sogenannte „schweigend­e Mehrheit“auf, bei der Wahl ihre Stimme abzuseine geben – und dabei ihrer Ablehnung einer Abspaltung der Region von Spanien Ausdruck zu verleihen, damit dort wieder Normalität einkehren könne. Eine Mehrheit der Katalanen ist gegen die Unabhängig­keit, jedoch verschafft sie sich seit Monaten weniger Gehör als die Befürworte­r der Trennung.

Laut einer von der Zeitung El País in Auftrag gegebenen Umfrage begrüßt ein Großteil der Bevölkerun­g die Neuwahlen: 76 Prozent der Spanier und 69 Prozent der Katalanen befürworte­n demnach die vorgezogen­e Abstimmung. Dem entmachtet­en

Wird ein inhaftiert­er Separatist der Wahlsieger?

Regierungs­chef Puigdemont, der von seinem Brüsseler Fluchtort aus für die Katalonien­Wahl am 21. Dezember kandidiere­n will, könnte eine Niederlage drohen: In allen Umfragen kommt seine Patei PDeCat, die jahrzehnte­lang stärkste Bewegung in Katalonien war, nur noch auf zehn bis zwölf Prozent der Stimmen.

Während Puigdemont­s früherer Vize Oriol Junqueras, der nicht vor der Justiz flüchtete und nun in U-Haft sitzt, mit seiner Republikan­erpartei ERC 25 bis 30 Prozent erwarten kann. Womit Junqueras sich zum neuen Führer der Bewegung aufschwing­en würde, die um ihre Mehrheit zittern muss: Den insgesamt drei Separatism­usparteien sagen Umfragen zusammenge­rechnet 45 bis 48 Prozent voraus.

 ?? Foto: Lago, afp ?? Nach Angaben der Stadtpoliz­ei Barcelonas nahmen 750 000 Menschen an dem Massenprot­est teil: Auf Transparen­ten schreiben sie Parolen wie „Ihr könnt niemals eine ganze Stadt einsperren“oder „Freiheit für die politische­n Gefangenen“.
Foto: Lago, afp Nach Angaben der Stadtpoliz­ei Barcelonas nahmen 750 000 Menschen an dem Massenprot­est teil: Auf Transparen­ten schreiben sie Parolen wie „Ihr könnt niemals eine ganze Stadt einsperren“oder „Freiheit für die politische­n Gefangenen“.

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