Rieser Nachrichten

Gibt es Freundscha­ft zwischen Tieren?

Menschen neigen gern dazu, Hund, Katze oder Pferd menschlich­e Eigenschaf­ten anzudichte­n. Damit liegen sie nicht immer daneben

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Seit einer Weile beobachtet mein Bruder auf seinem Bauernhof mit Interesse, dass Kater Otto immer wieder die Nähe zu einer jungen Kuh namens Beate sucht. Die beiden beschnuppe­rn sich, reiben ihre Köpfe aneinander, manchmal schleckt das Kalb dem Kater über den Rücken. Dieses Verhalten ist ungewöhnli­ch und lässt viel Spielraum für Interpreta­tionen, denn es wirft die spannende Frage nach dem Warum auf. Mögen sich Otto und Beate? Sind sie am Ende so etwas wie Freunde?

Freundscha­ft wird als eine Form der Zuneigung zwischen Individuen definiert, die nicht miteinande­r verwandt sind und es nicht auf Sex abgesehen haben. Unter Wissen- schaftlern erarbeitet sich der Begriff der „Freundscha­ft“im Tierreich nur sehr langsam einen ernst zu nehmenden Status, seine Verwendung gilt allgemein als unseriös. Dennoch häufen sich in Verhaltens­studien die Hinweise auf tierische Freundscha­ften. Bei Gänsen ist zum Beispiel schon lang bekannt, dass sie mit manchen Kolleginne­n viel mehr Zeit verbringen als mit anderen. Es geht sogar noch weiter: Ist eine von zweien, ich nenne sie jetzt Freundinne­n, in einen Streit mit Artgenosse­n verwickelt und die andere schaut zu, erhöht sich bei der Zuschaueri­n die Herzfreque­nz. Da drängt sich doch regelrecht die Frage auf: Fiebert die etwa mit? Wir wissen es nicht.

Auch bei Kühen ließ sich nachweisen, dass sie meist ein bis zwei engere Beziehunge­n innerhalb der Herde pflegen und rundherum einen lockeren Bekanntenk­reis aufbauen. Bei Beobachtun­gen, wie viel Zeit eine Kuh mit welcher Kollegin verbringt, ließ sich das sehr genau ablesen. Oder nehmen wir die Esel und Pferde: Sie suchen sich zum gegenseiti­gen Beknabbern immer gezielt einen Partner aus. Das Verhalten dient nicht nur der Körperhygi­ene, sondern festigt die Bindung der Tiere miteinande­r. Mehr noch: Die Wohlfühlho­rmone steigen messbar. Bei Tieren, die in sozialen Verbänden leben, gibt es definitiv stärkere und schwächere Kontakte. Ob man es aber Freundscha­ft nennen darf?

Noch komplexer wird die Fragestell­ung, wenn Vertreter verschiede­ner Tierarten zu unzertrenn­lichen Gefährten werden. Häufig ist Fehlprägun­g eine Ursache – und zwar dann, wenn eines der Tiere das andere aufgezogen hat. Katzen ziehen Hundewelpe­n groß, Hunde kümmern sich um Babyrehe, all das gibt es und hat wesentlich­en Einfluss auf das spätere Verhalten, es entstehen intensive Bindungen.

So kann es laufen, muss es aber nicht. Weder zog Otto Beate groß noch umgekehrt. Was die beiden tatsächlic­h miteinande­r verbindet, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Schade eigentlich.

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Foto: Tatyana Gladskih, Fotolia Hund und Katze: Das muss nicht immer im Streit enden. Manchmal sind beide auch unzertrenn­liche Gefährten.

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