Rieser Nachrichten

„Am Abgrund“

Italien droht heute eine seiner größten Fußball-Blamagen

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Rom „Hässliches Italien“, „am Abgrund“oder einfach nur „azurblaue Scham“: Italien droht eine der größten Blamagen in seiner Fußball-Geschichte. Nach dem ernüchtern­den 0:1 (0:0) am Freitag in Schweden in den Play-offs zur Qualifikat­ion für die WM 2018 in Russland blickt die Nation in den Abgrund. Kann die Squadra Azzurra im Rückspiel heute in Mailand den Rückstand nicht aufholen, ist der viermalige Weltmeiste­r das erste Mal seit 60 Jahren nicht bei einer WM-Endrunde dabei. Trainer Gian Piero Ventura weiß, dass es jetzt um alles geht. „Jetzt müssen wir einfach gewinnen, wir müssen das Ergebnis in Mailand umdrehen“, sagte er nach der wenig glanzvolle­n Partie in Stockholm.

Gleichzeit­ig versuchte er die Niederlage zu rechtferti­gen, Italien sei vom Schiedsric­hter unfair behandelt worden, deutete er an. Doch die Schweden um den starken Mittelfeld­spieler Emil Forsberg von RB Leipzig waren überlegen, was nicht nur das Siegtor von Jakob Johansson in der 61. Minute zeigte. Von einer Schiedsric­hterdiskus­sion wollte in der Heimat niemand etwas wissen. „Genug Entschuldi­gungen!“, schrieb Tuttosport. Auch sonst regnete es viel Kritik. Auch Ex-Nationalsp­ieler Andrea Pirlo zeigte wenig Verständni­s. „Man braucht Qualität, um solche Spiele zu gewinnen“, sagte der kürzlich zurückgetr­etene Fußball-Star. „Dies sind Spiele, in denen du siehst, was richtige Spieler sind.“Italien hat an 18 Weltmeiste­rschaften teilgenomm­en und – wie Deutschlan­d – vier Mal den Titel geholt. 1958 waren die Italiener bislang zum letzten Mal nicht dabei – damals fand die WM ironischer­weise in Schweden statt.

Die Qualifikat­ionsrunde für Russland war bislang eine einzige Zitterpart­ie. Das Team ist nicht nur moralisch angeschlag­en. Ventura muss im San-Siro-Stadion auf Spielemach­er Marco Verratti verzichten, der eine Gelbsperre verbüßt. Auch Leonardo Bonucci fehlt, der Verteidige­r brach sich gegen die Schweden in einem harten Zweikampf die Nase. Man dürfe sich jetzt nicht beschweren, sagte Torwart-Legende Gianluigi Buffon, für den es im kommenden Sommer seine sechste WM im Alter von 40 Jahren wäre. „Wir können über unsere Fehler reden, aber es hilft überhaupt nichts. Wir brauchen für die Aufholjagd erhobene Köpfe.“

»Randbemerk­ung mag der Weg in die deutsche Fußball-Hölle auch mit Namen wie Rivera, Rossi oder Balotelli gepflaster­t sein. Phonetisch­e Kompositio­nen, die einem auch im größten Unglück wie eine Panna cotta über die Lippen gleiten und der deutschen Fußball-Seele dennoch die schwersten Wunden geschlagen haben.

Das mag an die feenhafte MatheLehre­rin erinnern, die wir nie für eines unserer Null-Punkte-Werke verantwort­lich gemacht haben – im Unterschie­d zum alten AlgebraKno­chen. Was uns mit den Buffons, Chiellinis und Barzaglis verbindet, ist das abgewandel­t neutestame­ntarische „Du sollst deine härtesten Gegner lieben“.

„Weiße und Azzurri sind keine Gegner, sondern Interprete­n einer Oper, in einem Romeo und Julia des Fußballs“, schrieb Roberto Giardina in seiner „Anleitung, die Deutschen zu lieben“unter dem Eindruck des Jahrhunder­tspiels zwischen Deutschlan­d und Italien bei der WM 1970 in Mexiko. Italien gewann in der Verlängeru­ng 4:3. Zum Schluss traf Rivera.

Aber man muss auch vergeben können. Daraus entsteht mitunter größte Zuneigung. Darum für heute Abend: Buona fortuna!

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