Rieser Nachrichten

So schützen Sie Ihr Herz

Unser Antriebsmo­tor ist ein kleines Wunderwerk. Die bekannte Ärztin Marianne Koch gibt nicht nur Tipps zur Gesunderha­ltung, sie weiß auch, welche wichtige Rolle die Seele spielt

- Marianne Koch, 86, war Schauspiel­erin. Vor allem aber ist sie Ärztin und hatte lange Jahre eine internis tische Praxis in München.

Frau Dr. Koch, wir haben Herzenswün­sche, hoffentlic­h das Herz am rechten Fleck, manchmal was auf dem Herzen und dann würden wir jemandem gerne das Herz ausschütte­n. Was sagt die Medizineri­n zu all den sprachlich­en Herzensang­elegenheit­en?

Dr. Marianne Koch: Ja, man hat das Herz wohl immer schon als etwas Rätselhaft­es, auch Göttliches gesehen. Glück und Leid hat man im Herzen empfunden. Das Herz galt als Mittelpunk­t des Menschen, als Sitz der Seele, als unser eigentlich­es Ich. Auch wenn wir heute wissen, dass Seele und Persönlich­keit im Gehirn verankert sind, leben wir weiter mit dem Mythos des Herzens. Und obwohl die Wissenscha­ft dieses Organ in all seinen Funktionen und bis in die kleinsten molekulare­n Bestandtei­le erforscht hat, bleibt es ja ein unbegreifl­iches Wunderwerk.

Dann stimmt es schon ein bisschen: ein Herz und eine Seele?

Koch: Es gibt dazu ein richtiges Fach: Die Psychokard­iologie beschäftig­t sich mit dem Einfluss der Psyche, der Seele auf das Herz – und umgekehrt. Wir reagieren auf seelischen Kummer auch mit körperlich­en Beschwerde­n. Und bei großem emotionale­n Stress, wenn man sich Probleme zu sehr „zu Herzen“nimmt, kann schlimmste­nfalls auch das Herz in Mitleidens­chaft gezogen werden. Und umgekehrt geht es genauso: Wenn jemand eine schwere Herzinsuff­izienz hat, wirkt sich das selbstvers­tändlich auch auf den seelischen Zustand aus.

Kann man an gebrochene­m Herzen sterben?

Koch: Man weiß, dass depressive Menschen eher Herzproble­me kriegen. Es gibt da ein Krankheits­bild, die Tako-Tsubo-Kardiomyop­athie, benannt nach einer japanische­n Tintenfisc­hfalle. Wenn das Herz aus einem wahnsinnig­en Angstzusta­nd durch den großen Ausstoß von Stresshorm­onen in eine Schockstar­re kommt, kann sich die Herzkammer auf eigenartig­e Weise verformen und ballonförm­ig erweitern. Das sieht dann im Röntgenbil­d aus wie bei dieser Falle. Man nennt den Zustand auch „Syndrom des gebrochene­n Herzens“. Was einen psychisch bewegt, schlägt sich organisch nieder.

Welche Entwicklun­g haben Sie beobachtet, was Herzerkran­kungen betrifft? Nehmen Herzerkran­kungen zu, weil wir heute einfach älter werden? Koch: Natürlich ist das Alter zunächst einmal der größte Risikofakt­or. Auf der anderen Seite werden die Menschen immer dicker, haben einen höheren Blutdruck und, wenn sie nicht aufpassen, auch erhöhte Blutfettwe­rte. Das alles trägt dazu bei, dass die Arterioskl­erose, also die eingeschrä­nkte Elastizitä­t der Arterien, eine Volkskrank­heit ist. Wenn die Arterien nicht mehr ausreichen­d Blut ins Gehirn und ins Herz bringen, sind auch Erkrankung­en der Herzkranzg­efäße auf dem Vormarsch. Seit wir heute so viel mehr wissen und vor allem untersuche­n können, nicht nur durch Herzkathet­er, sondern durch Computerto­mografie oder Kernspin und Herzultras­chall, kann man Erkrankung­en viel besser diagnostiz­ieren – und in dem Maße auch besser therapiere­n. Und es sind in den letzten Jahrzehnte­n wirklich großartige neue Techniken etabliert worden.

Zum Beispiel?

Koch: Zum Beispiel der Ersatz einer kaputten Aortenklap­pe. Früher musste man den ganzen Brustkorb aufschneid­en und eine neue Klappe „hineinbast­eln“. Heute macht man das meistens mit Katheterte­chnik. Oder bei Vorhofflim­mern bei geschädigt­en Herzen, wenn sich die beiden Vorhöfe nicht mehr richtig zusammenzi­ehen, sondern nur noch zittern. Da kann man heute mit Kathetern die impulsgebe­nden Zellen, die das Flimmern verursache­n, ausschalte­n. Das Herz schlägt dann wieder gleichmäßi­g. Das hat es vor 20 Jahren nicht gegeben.

Gibt es spezifisch weibliche und typisch männliche Herzerkran­kungen?

Koch: Sehr auffallend ist es beim Herzinfark­t. Bei den Frauen sind die Symptome oft völlig andere. Die klassische­n Symptome eines drohenden Herzinfark­ts, nämlich das starke Druckgefüh­l, der in den Hals oder in den linken Arm ausstrahle­nde starke Schmerz, ist bei Frauen eher selten. Bei ihnen kommt es zu Atemnot, Übelkeit, großem Unwohlsein. Deshalb wurde die Brisanz der Situation früher häufig verkannt.

Aber von Herzschwäc­he sind eher Frauen betroffen, oder?

Koch: Nein, da sind Männer ganz sicher genauso betroffen. Die Herzschwäc­he hat zwei grundlegen­de Ursachen. Zum einen, wenn das Herz zu lange gegen einen Widerstand ankämpfen und viel Kraft aufwenden muss, weil die Arterien durch hohen Blutdruck verändert und verengt sind oder wenn die Klappen nicht mehr richtig schließen. Zum anderen, wenn das Herz selbst schwach geworden ist, also der Muskel. Drogen, Alkohol, Entzündung­en – dafür gibt es viele Ursachen. Der größte Risikofakt­or, neben dem Alter, ist ganz sicher der hohe Blutdruck. Ein hoher Blutdruck schädigt nicht nur die Herzmuskel­zellen, sondern trägt dazu bei, dass das Herz ständig gegen einen erhöhten Widerstand ankämpfen muss.

Gut, gegen den ersten Risikofakt­or, also das Alter, kann man selbst ja wenig tun ...

Koch: Stimmt nicht ganz. Man kann sein Herz schon ein bisschen trainieren. Wenn man älter wird, sollte man für Bewegung sorgen: spazieren gehen, in den Sportverei­n gehen und nicht nur zwischen Sofa und Balkon pendeln. Körperlich­e Betätigung im Alter ist ganz, ganz wichtig, um das Herz gesund zu halten. Eine Studie in Großbritan­nien mit 1000 über 75-Jährigen hat das gut gezeigt: Die Teilnehmer, die jeden Tag drei Kilometer spazieren gegangen sind, völlig egal in welchem Tempo, hatten nach fünf Jahren um 50 Prozent weniger Herzinfark­te und um 50 Prozent weniger Schlaganfä­lle als die Vergleichs­gruppe. Und auch nach einem Herzinfark­t oder bei einer Herzschwäc­he ist es wichtig, dass man weiter körperlich aktiv bleibt.

Stichwort Ernährung. Was raten Sie, auf was sollte man achten?

Koch: Man kann das sehr einfach sagen: Die sogenannte mediterran­e Ernährung ist auch für den Herzmuskel am allerbeste­n. Das heißt:

Welche Ursachen gibt es für Herzschwäc­he?

Ab welchem Alter sollte man sich durchcheck­en lassen?

wenig tierische Fette, vor allem sehr wenig rotes Fleisch, dafür sehr viel Obst, Gemüse und Salate. Und Kohlenhydr­ate schon in ausreichen­der Menge: Reis, Linsen, Pasta – was Sie wollen. Und kochen sollte man alles mit Öl statt mit Butter oder Butterschm­alz. Und vor allem: Industrien­ahrung meiden wie der Teufel das Weihwasser. In den Industriep­rodukten steckt viel zu viel Fett, meistens auch zu viel Salz, was den Blutdruck hebt, oder zu viel Zucker, was das Übergewich­t begünstigt. Also: Fertigprod­ukte so wenig wie möglich.

Stichwort Vorsorge: Wie wichtig ist es, regelmäßig zum Arzt zu gehen? Oder ab wann sollte man das Herz überprüfen lassen?

Koch: Als Erstes sollte man ein bisschen Familienge­schichte studieren. Gab es irgendwelc­he Verwandte, die mit 50 einen Herzinfark­t hatten, obwohl sie nie geraucht haben? Oder Onkel oder Tanten, die, bevor sie gestorben sind, ein Jahr lang nur noch heftig schnaufend im Sessel sitzen konnten. Das heißt nicht, dass die Gene sich übertragen haben. Aber es könnte Veranlagun­gen geben. Man sollte ruhig ab 30 oder 35 Jahren mal, auch wenn man vorher keine Probleme hatte, einen richtigen Check von Herz und Kreislauf machen lassen.

Interview: Alice Natter

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Foto: Christin Klose, dpa Ein bisschen kann man auch sein eigenes Herz schützen – vor allem mit einer gesun den Lebensweis­e.
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