Darf ich bitten?
Der Nördlinger Seniorenbeirat veranstaltet monatlich einen Tanznachmittag. Wir haben die Tänzer dabei begleitet und mit ihnen über ihre Leidenschaft gesprochen
Reimlingen Ein gutes Dutzend Tanzpaare dreht seine Runden auf dem Parkett, darunter Monika Brehmer und Willi Auerhammer. Willi Auerhammer trägt stets ein Lächeln im Gesicht, während er seine Partnerin über die Tanzfläche führt. Dabei gibt er durchaus den Ton an, seine Körperhaltung wirkt bestimmend und sicher. Monika Brehmer lässt sich führen, das macht den Tanz harmonisch.
An diesem Tag öffnet der Gasthof Braun in Reimlingen wie jeden Monat für den Tanznachmittag des Nördlinger Seniorenbeirats. Die Uhr zeigt zwar erst 15 Uhr an, doch draußen dämmert es schon. Im Saal werfen goldene Lampen warmes Licht auf die Wände, die es im ganzen Raum verteilen. Auf der Bühne, eingesäumt von cremefarbenen Vorhängen, singt ein Musiker mit Keyboard-Krawatte „Was kann schöner sein?“.
Er legt eine kurze Pause ein. Hans Irrgang, der Vorsitzende des Nördlinger Seniorenbeirats, ergreift das Wort. Seine Frau, Edith Irrgang, verspäte sich etwas, sagt er, weil sie noch die Seniorensportgruppe in Nördlingen leite. Er bittet die anderen Herren, es ihm nachzusehen, er deshalb ihre Damen zum Tanz auffordern wird. Sie sollen ihn nicht „mit vor die Tür nehmen“, witzelt der hochgewachsene ältere Herr in klarem Hochdeutsch. Danach gesellt er sich wieder zu dem Tisch am Fenster, an dem auch die anderen Vorstandsmitglieder des Seniorenbeirats sitzen. Den Tanznachmittag habe es schon gegeben, als sie alle anfingen, sich im Seniorenbeirat zu engagieren, sagen sie. Sehr lange jedenfalls. Seit etwa acht Jahren treffen sie sich im Gasthof Braun.
Gelegentlich machen die Tänzerinnen und Tänzer eine Pause, setzen sich an einen der Tische im Saal und trinken Kaffee. Diejenigen, die mal einzeln am Tisch sitzen und darauf warten, zum Tanz aufgefordert zu werden, tun es nie lange. Zwar sind augenscheinlich mehr Damen als Herren anwesend, doch wenn die Verteilung einmal nicht klappt, behelfen sich die Frauen einfach selbst. Einige bilden Tanzpaare bestehend aus zwei Frauen, ohne Herren.
Etwas später öffnet sich die Tür des Saals und Edith Irrgang, Hans Irrgangs Gattin, erscheint im Türrahmen. „Da ist sie ja!“, ruft er. Es scheint, als hätte er seine gewohnte Tanzpartnerin und Ehefrau schon sehnlich erwartet. Zur gleichen Zeit werden den Gästen braungebratene fränkische Bratwürste serviert, dazu gibt es Sauerkraut und Kartoffelsalat. „Was trinkst du?“, fragt Edith Irrgang ihren Gatten. „Etwas unanständiges“, antwortet er lächelnd und zeigt auf sein Speziglas. Edith Irrgang ist wie ihr Ehemann 82 Jahre alt. Die Leidenschaft des Tanzens teilen die beiden schon lange. Als sie noch in Stuttgart lebten, bevor sie vor einigen Jahrzehnten ins Ries zogen, absolvierten sie gemeinsame die „Silberne Nadel“, eine Tanzauszeichnung. „Meine Note war einen Punkt schlechter als die meiner Frau, weil ich einmal auf meine Füße geschaut habe“, erinnert sich Hans Irrgang. Doch Edith Irrgang turnt schon deutlich länger als sie tanzt, nämlich seit sie drei Jahre alt war. „Es ist wichtig, dass man sich auch im Alter fit hält“, sagt sie. Die Menschen am Tisch bekräftigen, dass sie in ihrer Sportgruppe dafür sorge. „Sie lässt uns ganz schön strampeln“, sagt einer, der Rest lacht.
Eine kurze Pause vom Tanzen genehmigen sich auch Irma Vossler und ihr Lebensgefährte. Mit ihren 86 Jahren ist sie vermutlich die Alterspräsidentin im Tanzsaal. Doch eine einzige Tanzveranstaltung reicht dem Paar nicht. „Diese Wowenn che gehen wir auf drei Tänze“, sagt die Dame aus Aufhausen. Aufgewachsen ist sie in Ungarn, auch das Tanzen lernte sie dort. Als sie nach Deutschland kam, ging sie als junge Frau gerne mit ihrer Freundin tanzen. „Sie hat mich immer abgeholt, weil ich keinen Führerschein hatte“, erzählt sie. So hat sie, Jahrzehnte später, auch ihren 84-jährigen Lebensgefährten kennengelernt. Er habe sie zum Tanz abgeholt. „Das Tanzen ist sowieso mein Leben.“
Monika Brehmer und Willi Auerhammer, die davor noch übers Tanzparkett glitten, lassen sich am Ende eines gedeckten Tisches nieder. Willi Auerhammer trägt eine beige Weste über einem farbig gestreiften Hemd. „Als wir uns kennenlernten, hatte er so eine Opaweste an, furchtbar“, erzählt Monika Brehmer und lacht. Das war vor zwölf Jahren beim Tanz in Megesheim, den es damals noch gab. Auf die Frage, wie er sich heute an diesen Tag erinnert, scherzt er: „Eine klare Fehlentscheidung.“Er klopfe immer viele Sprüche, sagt sie. Damit ziehe er die Aufmerksamkeit des ganzen Raumes auf sich – ihre natürlich auch. Dann habe er sie zum Tanz aufgefordert, da habe es gefunkt. Sein gutes Taktgefühl auf dem Parkett erledigte den Rest.