Romeo und Julia auf dem Lande
Das Dramatische Ensemble inszeniert das Shakespeare-Stück als Kleinstadtmusical. Über eine umjubelte Premiere im ausverkauften Klösterle in Nördlingen
Nördlingen Sie sind das wohl bekannteste Liebespaar der Weltliteratur und das gleichnamige Theaterstück gilt als das meistgespielte aller Zeiten: Romeo und Julia. Obwohl die Tragödie von William Shakespeare bereits in ungezählten Adaptionen auf Bühne und Leinwand dargeboten wurde, erfreut sie sich auch heute noch ungebrochener Popularität. Nun hat sich auch das Dramatische Ensemble (DE) in Nördlingen unter der künstlerischen Leitung von Clarissa Hopfensitz (Text und Regie) und Marcus Prügel (Musik) des Stoffs angenommen und die Liebesgeschichte als „Kleinstadtmusical“auf die Bühne des Klösterles gebracht, wo sie am Wochenende vor ausverkauftem Haus eine umjubelte Premiere feierte.
Dabei hält sich die Aufführung zunächst streng an die OriginalVorlage: Die verfeindeten Familien der Montagues und der Capulets beharken sich im alten Verona in permanentem Dauerzwist, schon die Kinder kreuzen die Degen. Der unglücklich verliebte Romeo (Peter Sellnow) streift schwermütig umher, während der unsympathische Graf Paris (Alexander Weiß) um Julias Hand anhält. Auf einem Fest des Grafen Capulet (Uli Bühler) soll sie ihren künftigen Gemahl kennenlernen, in das sich auch Romeo und sein Kumpel Mercutio (Lara Schwetz) einschleichen. Drehbuchgerecht verlieben sich Romeo und Julia dort unsterblich ineinander …
Mittels eines raffinierten dramaturgischen Kunstgriffs finden sich Schauspieler und Zuschauer urplötzlich im Hier und Jetzt der schwäbischen Provinz wieder. Aus der Fehde zweier Familienclans wird ein Widerstreit zwischen Stadt und Land: zwischen der Kleinstadt „Südlingen“und dem Dorf „Oberdickbein“– die Namen sind wohl nicht zufällig gewählt. Es geht zwar nicht mehr um Leben und Tod, aber immerhin um die bessere Theaterinszenierung: kultiviertes Schauspiel versus Bauerntheater, Hochsprache versus Rieser Dialekt, Florett versus Mistgabel. Im Zentrum des Geschehens bleiben dennoch immer die beiden Liebenden. Denn als die Gegensätze unvereinbar scheinen und alle gütlichen Einigungsversuche zu scheitern drohen, gibt es unter dem Motto „Liebe bedarf keiner Worte“sogar ein bei Shakespeare nicht vorgesehenes Happy-End.
Regisseurin Clarissa Hopfensitz gelingt es in ihrer mutigen Inszenierung von „romeo & julia“bravourös, einem eigentlich „totgespielten“Stück eine inhaltlich neue Variante hinzuzufügen, ohne dessen Grundausrichtung zu verlassen.
zieht sie auf beiden Spielebenen zahlreiche dramaturgische und bühnentechnische Register, sodass sich viele wunderbare Bilder einprägen: die wilden, farbenfrohen Gefechte und das opulente Fest der Capulets (mit mehr als zwanzig Darstellern gleichzeitig auf der Bühne), die legendäre Balkon-Szene und der anrührende Tanz des Liebespaares im Spotlight inmitten von Seifenblasen.
Der gesamten Spielschar des DE merkt man Begeisterung und Motivation an, wobei jeder seine persönlichen Stärken einbringt – vom Relevé-Ballettschritt bis zu akrobatischen Flic-Flacs. Peter Sellnow bewältigt seine textintensive Titelrolle engagiert und souverän, während Natalie Grimm als leidenschaftliches Landei Julia ihre Rieser „Baurasproch“so verinnerlicht hat, dass man ihr keinen einzigen hochdeutschen Satz zutraut. Für die komi- schen Elemente sorgen Michael Eßmann als überkandidelter Vater mit Starregisseur-Allüren sowie Alexander Güntert, Bettina Greno und Georg Deffner, die die Wesensart der Rieser Dörfler ebenso trefflich wie witzig karikieren.
Fantasievolle Kostüme und Requisiten sowie ein ausgeklügeltes Bühnenbild, das schnelle Szenenwechsel ermöglicht, bringen der Inszenierung noch zusätzliche Pluspunkte. Und das DE wäre nicht das DE, wenn nicht da und dort ein Schuss Anarchie beigemischt wäre, etwa Gerhard Munks schweißtreibendes „Übersetzen“einer Spielszene in die Gebärdensprache oder adrett über die Bühne stöckelnde Nummerngirls.
Als eine Klasse für sich präsentiert sich einmal mehr der musikalische Leiter Marcus Prügel. Seine Idee, ein klassisches Streichquartett in die Live-Band zu integrieren, erDabei weist sich als Volltreffer. Zudem hat er nicht nur die komplette Musik des Stücks komponiert, arrangiert und orchestriert, sondern mit Liedern wie „Die Ehre der Familie“oder dem Duett „Zusammen sind wir stark“die gesamte Inszenierung entscheidend mitgeprägt.
So gab es nicht nur reichlich Szenenapplaus zwischendurch, sondern am Ende der Aufführung minutenlangen Beifall für die gelungene Premiere eines unterhaltsamen und sehenswerten Stücks.
OProgramm Das Kleinstadt Musical „romeo & julia“wird am kommenden Wochenende noch dreimal im Klösterle gespielt: Freitag, 17., Samstag, 18. (jeweils 20 Uhr) und Sonntag, 19. No vember (17 Uhr). Karten sind in der Tourist Information am Rathaus (Telefon 09081/84116) oder im Internet unter www.dramatisches ensemble.de erhält lich.