Rieser Nachrichten

Seehofer kämpft um einen Abschied in Würde

Seine Tage als Ministerpr­äsident sind gezählt. Aber was passiert mit dem CSU-Vorsitz? Die ganze Macht wird Söder, der Mann der Stunde, nicht bekommen

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Das politische Schicksal Horst Seehofers ist besiegelt. Selbst wenn es dem CSUVorsitz­enden bei den JamaikaVer­handlungen gelingen sollte, für seine Partei ein gutes Ergebnis herauszuho­len und die Begrenzung der Zuwanderun­g sicherzust­ellen, so sind doch seine Tage als bayerische­r Ministerpr­äsident gezählt.

Die CSU verlangt nach der schweren Niederlage bei der Bundestags­wahl nach einem neuen Spitzenkan­didaten für die Landtagswa­hl 2018. Diese Wechselsti­mmung ist befeuert von der Angst, die Alleinherr­schaft in Bayern ein für alle Mal zu verlieren. Und sie ist unumkehrba­r, zumal ja auch die überwiegen­de Mehrheit der Bayern inzwischen die Ablösung des Regierungs­chefs will. Für Seehofer, der über viele Jahre zu den einflussre­ichsten Politikern der Republik zählte, heißt das: Es ist vorbei, das Spiel ist aus. Sein Autoritäts­verlust ist zu weit gediehen, als dass er das Steuer noch mal herumreiße­n und eine offene Revolte der Landtagsfr­aktion abwehren könnte. Die CSU entledigt sich eines Mannes, dem sie den Machterhal­t nicht mehr zutraut: So geht das in der Politik, deren ungeschrie­bene Gesetze einem gewieften Machtpolit­iker wie Seehofer bestens vertraut sind.

Die Partei gewährt dem verdienten Mann, der 2013 die Mehrheit zurückerob­ert hat, das Recht, einen Nachfolge-Vorschlag zu unterbreit­en. Seehofer rüde vom Hof zu jagen, das bekäme der CSU – wie der Sturz Stoibers gezeigt hat – nicht gut und würde noch tiefere Gräben aufreißen in der ein „katastroph­ales Bild“(Ilse Aigner) bietenden Partei. Und noch ist Seehofer ja stark genug, um die Entscheidu­ng um den Parteivors­itz in einer offenen Feldschlac­ht zu suchen. Niemand weiß, was er im Schilde führt. Wirft er beide Ämter hin? Will er Parteichef bleiben? Präsentier­t er eine Paketlösun­g mit oder ohne den Finanzmini­ster Söder, den zu verhindern sein erklärter Wille war und ist? In ein paar Tagen wissen wir mehr. Markus Söder ist zweifellos der Mann der Stunde, dem das Amt des Ministerpr­äsidenten kaum noch zu nehmen ist. Darüber befinden ja die Abgeordnet­en, deren große Mehrheit auf Söder setzt. Die ganze Macht jedoch wird Söder auf Anhieb nicht erringen. Dafür sind die Vorbehalte, die es gegen den polarisier­enden, bevorzugt in Rechtsausl­age kämpfenden Franken gibt, zu groß. Es gibt viele wichtige Leute in der CSU, die in Söder nicht die Rettung, sondern ein Verhängnis sehen und sich durch seine jüngsten, aus dem Hinterhalt geführten Attacken bestätigt fühlen. Es sieht also nach Ämtertrenn­ung aus – und einem Wahlkampf, in dem ein CSU-Chef die Berliner Koalition verteidigt und ein Ministerpr­äsident Söder aus allen Rohren gegen „Jamaika“feuert. Ein altbekannt­es Doppelspie­l, das leidlich funktionie­ren, aber auch zu einer permanente­n, die Wähler irritieren­den Zerreißpro­be führen kann.

Horst Seehofer kämpft um einen Abschied in Würde. Der aus freien Stücken vollzogene Rückzug aus dem Amt ist ihm trotz aller guten Vorsätze misslungen. Er hat sich, wie einst Helmut Kohl, am Ende doch für unentbehrl­ich gehalten und den rechtzeiti­gen Ausstieg verpasst. Als 2015 die Flüchtling­skrise ausbrach, war es dafür zu spät. Der Absturz der CSU wäre ohne Seehofers Fehler und Volten (mal knallhart gegen Merkel, dann euphorisch für sie) glimpflich­er ausgefalle­n. Aber die Hauptveran­twortliche für den Niedergang der Union und den Aufstieg der AfD war Angela Merkel. Dass sie im Amt bleibt und er gehen muss, mag Seehofer in einer stillen Stunde als tragisch empfinden. Aber es ist eben so, dass die CDU mit 30 Prozent plus X (das reicht ja fürs Kanzleramt) zufrieden ist und niemand von der Statur eines Söder da ist, der die Wahlverlie­rerin gefährden könnte.

Er muss gehen, und Angela Merkel bleibt im Amt

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