Seehofer kämpft um einen Abschied in Würde
Seine Tage als Ministerpräsident sind gezählt. Aber was passiert mit dem CSU-Vorsitz? Die ganze Macht wird Söder, der Mann der Stunde, nicht bekommen
Das politische Schicksal Horst Seehofers ist besiegelt. Selbst wenn es dem CSUVorsitzenden bei den JamaikaVerhandlungen gelingen sollte, für seine Partei ein gutes Ergebnis herauszuholen und die Begrenzung der Zuwanderung sicherzustellen, so sind doch seine Tage als bayerischer Ministerpräsident gezählt.
Die CSU verlangt nach der schweren Niederlage bei der Bundestagswahl nach einem neuen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2018. Diese Wechselstimmung ist befeuert von der Angst, die Alleinherrschaft in Bayern ein für alle Mal zu verlieren. Und sie ist unumkehrbar, zumal ja auch die überwiegende Mehrheit der Bayern inzwischen die Ablösung des Regierungschefs will. Für Seehofer, der über viele Jahre zu den einflussreichsten Politikern der Republik zählte, heißt das: Es ist vorbei, das Spiel ist aus. Sein Autoritätsverlust ist zu weit gediehen, als dass er das Steuer noch mal herumreißen und eine offene Revolte der Landtagsfraktion abwehren könnte. Die CSU entledigt sich eines Mannes, dem sie den Machterhalt nicht mehr zutraut: So geht das in der Politik, deren ungeschriebene Gesetze einem gewieften Machtpolitiker wie Seehofer bestens vertraut sind.
Die Partei gewährt dem verdienten Mann, der 2013 die Mehrheit zurückerobert hat, das Recht, einen Nachfolge-Vorschlag zu unterbreiten. Seehofer rüde vom Hof zu jagen, das bekäme der CSU – wie der Sturz Stoibers gezeigt hat – nicht gut und würde noch tiefere Gräben aufreißen in der ein „katastrophales Bild“(Ilse Aigner) bietenden Partei. Und noch ist Seehofer ja stark genug, um die Entscheidung um den Parteivorsitz in einer offenen Feldschlacht zu suchen. Niemand weiß, was er im Schilde führt. Wirft er beide Ämter hin? Will er Parteichef bleiben? Präsentiert er eine Paketlösung mit oder ohne den Finanzminister Söder, den zu verhindern sein erklärter Wille war und ist? In ein paar Tagen wissen wir mehr. Markus Söder ist zweifellos der Mann der Stunde, dem das Amt des Ministerpräsidenten kaum noch zu nehmen ist. Darüber befinden ja die Abgeordneten, deren große Mehrheit auf Söder setzt. Die ganze Macht jedoch wird Söder auf Anhieb nicht erringen. Dafür sind die Vorbehalte, die es gegen den polarisierenden, bevorzugt in Rechtsauslage kämpfenden Franken gibt, zu groß. Es gibt viele wichtige Leute in der CSU, die in Söder nicht die Rettung, sondern ein Verhängnis sehen und sich durch seine jüngsten, aus dem Hinterhalt geführten Attacken bestätigt fühlen. Es sieht also nach Ämtertrennung aus – und einem Wahlkampf, in dem ein CSU-Chef die Berliner Koalition verteidigt und ein Ministerpräsident Söder aus allen Rohren gegen „Jamaika“feuert. Ein altbekanntes Doppelspiel, das leidlich funktionieren, aber auch zu einer permanenten, die Wähler irritierenden Zerreißprobe führen kann.
Horst Seehofer kämpft um einen Abschied in Würde. Der aus freien Stücken vollzogene Rückzug aus dem Amt ist ihm trotz aller guten Vorsätze misslungen. Er hat sich, wie einst Helmut Kohl, am Ende doch für unentbehrlich gehalten und den rechtzeitigen Ausstieg verpasst. Als 2015 die Flüchtlingskrise ausbrach, war es dafür zu spät. Der Absturz der CSU wäre ohne Seehofers Fehler und Volten (mal knallhart gegen Merkel, dann euphorisch für sie) glimpflicher ausgefallen. Aber die Hauptverantwortliche für den Niedergang der Union und den Aufstieg der AfD war Angela Merkel. Dass sie im Amt bleibt und er gehen muss, mag Seehofer in einer stillen Stunde als tragisch empfinden. Aber es ist eben so, dass die CDU mit 30 Prozent plus X (das reicht ja fürs Kanzleramt) zufrieden ist und niemand von der Statur eines Söder da ist, der die Wahlverliererin gefährden könnte.
Er muss gehen, und Angela Merkel bleibt im Amt