Rieser Nachrichten

Merkel laviert im Ungefähren

Bundeskanz­lerin bleibt Antwort auf die Frage nach dem Kohleausst­ieg schuldig

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Bonn Alles wartet auf die Kanzlerin. Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron lehnt an einem Stuhl und plaudert lächelnd mit UN-Generalsek­retär António Guterres. Frank Bainimaram­a, seines Zeichens Premiermin­ister der FidschiIns­eln und Vorsitzend­er der Weltklimak­onferenz, checkt sein Smartphone. Pausenstim­mung im Saal „New York“des Bonner World Conference Center. Dann endlich Bewegung: Angela Merkel trifft ein. Küsschen hier, Küsschen da, Händeschüt­teln, Verbeugung, Erinnerung­sfoto. Augenblick­e später steht sie schon am Rednerpult. Alle Augen sind auf sie gerichtet.

Mit Spannung ist ihre Rede erwartet worden. Umweltschu­tzverbände hoffen auf nichts weniger als die Ankündigun­g des Kohleausst­iegs – und wissen wohl insgeheim, dass das wenig realistisc­h ist. Aber mit irgendetwa­s Konkretem rechnen sie schon – ebenso wie das UNKlimasek­retariat. Dessen Sprecher Nick Nuttall sagt: „Viele Teilnehmer hier fragen sich, hat Deutschlan­d einen Plan für die Kohle und wird es einen Plan geben, damit Deutschlan­d seine Klimaziele noch erreichen kann?“Nuttall bekommt an diesem Mittwoch keine Antwort auf diese Frage. Merkel spricht davon, dass der Klimawande­l die „Schicksals­frage“der Menschheit sei, sie verweist auf schmelzend­e Gletscher und steigende Meeresspie­gel. Das müsse unbedingt gestoppt werden. „Wir in Deutschlan­d werden uns mühen“, verspricht sie. Aber wie genau man sich mühen will, das sagt sie nicht.

„Wir wissen, dass Deutschlan­d als ein Land, das noch in hohem Maße Kohle verwendet, natürlich gerade die Kohle, insbesonde­re die Braunkohle, auch einen wesentlich­en Beitrag leisten muss, um diese Ziele zu erfüllen.“Wie wird der Beitrag aussehen? „Wie genau das ist, das werden wir in den nächsten Tagen miteinande­r ganz präzise diskutiere­n müssen.“

Die CDU-Chefin hat sich also entschiede­n, den Jamaika-Gesprächen nicht vorzugreif­en. Sie bleibt vage. Die Umweltschü­tzer sind enttäuscht: „Allgemeinp­lätze“, „fatales Signal“, „Titel Klimakanzl­erin droht endgültig Geschichte zu sein“, so in etwa lauten alle Kommentare. „Angela Merkels Rede war im Wesentlich­en eine Nullaussag­e“, sagt Grünen-Chefin Simone Peter in Berlin. Auch im Saal „New York“ist die Enttäuschu­ng zu spüren. Es gibt nur mittleren Applaus für die Frau, die den Klimaschut­z beim G20-Gipfel in Hamburg noch hochgehalt­en und dafür viel Anerkennun­g erfahren hatte.

Unmittelba­r nach ihr spricht Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron. Er fordert Europa auf, eine von den USA gerissene Lücke bei der Finanzieru­ng von Klimaforsc­hung auszufülle­n. Der wichtige Weltklimar­at IPCC sei aktuell bedroht, da die USA entschiede­n hätten, nicht mehr für seine Finanzieru­ng zu garantiere­n. „Daher schlage ich vor, dass Europa Amerika ersetzt.“Frankreich werde dieser Herausford­erung begegnen. Der IPCC gibt wissenscha­ftliche Berichte heraus, die auf tausenden von Forschern beruhen und eine wichtige Grundlage für die Klimakonfe­renzen sind.

Die Delegierte­n im Saal applaudier­en bei der Ankündigun­g. Und sie klatschen auch am Ende seiner Rede deutlich lauter als bei seiner Vorredneri­n. Keine Frage: Im alten Bonner Regierungs­viertel, dort wo sie in den 90er Jahren als Umweltmini­sterin arbeitete, ist Merkel an diesem Tag hinter den Erwartunge­n vieler Zuhörer zurückgebl­ieben.

Chr. Driessen, Simone Humml, dpa

Mehr Applaus für Emmanuel Macron

 ?? Foto: John MacDougall, afp ?? Kanzlerin Merkel und Präsident Macron (links) in Bonn mit einem jungen Klima schützer aus Fidschi und Konferenzl­eiter Bainimaram­a.
Foto: John MacDougall, afp Kanzlerin Merkel und Präsident Macron (links) in Bonn mit einem jungen Klima schützer aus Fidschi und Konferenzl­eiter Bainimaram­a.

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