Rieser Nachrichten

„Trump ist ein ziemlicher Heißluft Erzeuger“

Der Deutsche Martin Richenhage­n leitet den großen US-Traktorenh­ersteller AGCO mit dem Fendt-Werk im Allgäu. Er erklärt, warum der US-Präsident seinem Land schadet, es aber nicht nur „doofe Landeier“sind, die ihn unterstütz­en

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Herr Richenhage­n, sind die USA ein anderes Land nach einem Jahr unter dem Präsidente­n Donald Trump? Richenhage­n: Amerika ist viel mehr gespalten als früher. Trumps sexistisch­e und rassistisc­he Bemerkunge­n führen dazu, dass der Ton im Land insgesamt auch rüder geworden ist. Eine weitere Auswirkung: Das Verhältnis von Amerika zu vielen Ländern dieser Welt ist schlechter geworden. Das hätte alles besser laufen können. Gleichwohl rate ich nach wie vor zu Gelassenhe­it. Trump ist ein Politiker, der starke Emotionen erzeugt. Umso wichtiger ist es, in der Bewertung cool zu bleiben.

Welches Zeugnis würden Sie ihm ausstellen?

Richenhage­n: Das Urteil möchte ich zunächst an Leute delegieren, die ich gut kenne: George W. Bush hat gesagt, er ist ein Angeber – dem würde ich mich anschließe­n. Sein Außenminis­ter Rex Tillerson nannte ihn einen „moron“, einen Vollidiote­n – und auch dem würde ich mich anschließe­n. Also man kann sagen: Trump hat enttäuscht bislang, er glänzt lediglich durch ganz schlechte Umgangsfor­men. Die meisten guten Berater, die er aus der Wirtschaft rekrutiert hatte, sind alle schon wieder weg. Und die verblieben­en sagen: Du meine Güte, was macht der Kerl? Bei uns im Unternehme­n werden Leute nach dem bemessen, was sie leisten. Wenn ich so arbeiten würde wie der Herr Trump, dann hätte ich schon nach zwei Wochen meinen Job verloren. In der Politik dauert das ein bisschen länger.

Sie haben den Präsidente­n mehrfach getroffen. Welchen Eindruck hat er auf Sie gemacht?

Richenhage­n: Trump gibt sich beim Gespräch im kleinen Kreis genauso wie bei seinen Auftritten in der Öffentlich­keit. Er ist also sehr authentisc­h. Das ist gut und schlecht zugleich. Denn ich hatte eigentlich gedacht, dass er bei Diskussion­en mehr ins Detail geht. Doch er haut einem die immer gleichen und bekannten Schlagwort­e um die Ohren. Wenn man dann nachfragt, wie das funktionie­ren soll, dann weiß er überhaupt nicht, worüber er redet. Trump ist also ein ziemlicher Heißluft-Erzeuger.

In Europa herrscht der Eindruck: Trump kriegt nichts geregelt. Was hat er denn tatsächlic­h schon geschafft? Richenhage­n: Präsident Obama hatte viele Dinge durch präsidenti­elle Erlasse geregelt, weil die Republikan­er bei den allermeist­en Vorhaben nicht mitspielte­n. Und Trump dreht nun alles wieder zurück. Man kann wieder Pipelines bauen, Kohle für die Energieerz­eugung verwenden oder auch wieder Bären jagen – alles keine kriegsents­cheidenden Dinge.

Wie beurteilen Sie Trumps Wirtschaft­spolitik und hat sie bereits konkrete Auswirkung­en?

Richenhage­n: Konkret zum Wachstum hat er nichts beigetrage­n. Lediglich die Hoffnungen hat er beflügelt, weswegen die Börsenkurs­e allesamt nach oben gegangen sind. Das war positiv. Doch dies bröckelt bereits langsam. Sonst hat sich in der Wirtschaft­spolitik konkret nichts verbessert. Die Wirtschaft liebt es ja, wenn es stabile Verhältnis­se gibt und wenn man auch ein bisschen ahnen kann, was kommt. Und bei Trump weiß man ja nicht, welche Sau er morgen wieder durchs Dorf treibt. Es ist Schlimmes zu befürchten im Bereich Import- und Exportbesc­hränkungen. Trumps Protektion­ismus macht uns Angst. Freier Welthandel, den wir ja so lieben, wird von Trump immer infrage gestellt.

Im Weißen Haus sitzt jetzt ein notorische­r Lügner. Was heißt das für das Ansehen des Präsidente­namtes? Richenhage­n: Es gibt eine Liste von 1000 Lügen, die er nachweisli­ch in diesem Jahr verbreitet hat. So ein Verhalten beschädigt das Amt. Und das beschädigt Politiker insgesamt. Denn der normale Mensch denkt doch: Wenn der Trump so etwas macht das die Merkel auch. Das ist für die Politiker nicht gut, aber auch nicht für die Ethik und Moral in einem Volk. Was soll man denn Kindern noch erklären, wenn ein Präsident lügt, sexistisch­e und rassistisc­he Bemerkunge­n macht?

In der Russland-Affäre gibt es erste Anklagen. Wird es nach Ihrer Einschätzu­ng am Ende auch den Präsidente­n selbst treffen?

Richenhage­n: Mit den Russland-Untersuchu­ngen wird unglaublic­h viel Politik gemacht. Letztlich wird nicht viel übrig bleiben. Trump hält diese vier Jahre durch. Und ich denke auch nicht, dass er des Amtes enthoben wird. Sollte sich Trump im Jahr 2020 wieder zur Wahl stellen, hat er durchaus Chancen, weil seine Basis nach wie vor zu ihm steht.

Wieso kommt der Präsident trotz all der Skandale bei seinen Anhängern noch immer so gut weg? Richenhage­n: Zum Teil deswegen, weil Trump genau das macht, was er im Wahlkampf angekündig­t hat. Und wenn das ein gewählter Politiker schon einmal tut, dann ist das ja eigentlich eine Sache, die man ihm nicht ankreiden darf (lacht). Allerdings darf man einen Fehler nicht machen: Nämlich anzunehmen, es sind nur die doofen Landeier, die Trump unterstütz­en. Er wird im Wesentlich­en getragen von den weißen Amerikaner­n. Deren Unterstütz­ung ist schon riesengroß.

Nicht erst seit seinen Äußerungen nach dem Charlottes­ville-Attentat wirft man Trump vor, den Rassismus salonfähig machen zu wollen. Richenhage­n: Die Amerikaner haben ein viel größeres Rassismus-Problem, als sie immer zugeben – sowohl bei Weißen als auch bei Schwarzen. Lange Zeit brodelte es eher unterschwe­llig, doch nun kommt es – befeuert vielleicht von Trumps Aussagen – an die Oberfläche. Da erhoffe ich mir einen positiven Seiteneffe­kt: Nämlich, dass diese Dinge nun endlich einmal vermacht, nünftig diskutiert werden. Es müssen endlich Lösungen gefunden werden für das Problem. Viel ist meiner Meinung nach machbar durch Ausbildung. Wenn man etwas ändern will, muss man zusehen, dass die jungen Leute vernünftig­e Schulen haben.

Ein so impulsiver Mann wie Trump hat die Codes für die Atomwaffen. Macht Ihnen das Angst? Richenhage­n: Es gibt ja das Sprichwort: Hunde, die bellen, beißen nicht. Schauen Sie sich an, was auf der Asien-Reise passierte. Als er sich Nordkorea näherte, machte er dem Diktator Kim Jong Un ein Gesprächsa­ngebot. Insofern denke ich nicht, dass er auf den Atombomben­Knopf drückt. Übrigens hat Trump einen anderen Knopf neu installier­t an seinem Schreibtis­ch. Einen roten Knopf. Und wenn er da draufdrück­t, wissen Sie, was dann passiert? Dann wird ihm eine Cola serviert. Der Präsident ist nämlich bekennende­r Cola-Trinker.

Die Digitalisi­erung ist nicht gerade ein Lieblingst­hema von Trump. Im Gegensatz dazu plant AGCO ein großes Konzernpro­jekt in Marktoberd­orf, wo 100 neue Arbeitsplä­tze entstehen. Richenhage­n: Ja, Marktoberd­orf wird ein bisschen zur digitalen Denkfabrik. Die Digitalisi­erung ist das Entscheidu­ngsmerkmal für die Weiterentw­icklung der Landwirtsc­haft. Früher hieß es: wachsen oder weichen. Und heute digitalisi­eren oder weichen.

Für solch ein Projekt benötigen Sie hoch qualifizie­rte Fachkräfte. Wie überzeugen Sie die, aufs Land nach Marktoberd­orf zu gehen? Richenhage­n: Die Lebensqual­ität in der Stadt ist hoch. Man ist von dort aus schnell in München oder auch in Italien. Wir haben die Erfahrung gemacht: Leute, die dort arbeiten,

„Wenn ich so arbeiten würde wie Herr Trump, hätte ich längst meinen Job verloren.“

Martin Richenhage­n

wollen gar nicht mehr weg. Das ist also kein Problem. Und dann müssen Sie noch etwas sehen: Bei der Akquisitio­n von High-Potentials spielt die Marke eine große Rolle. Wir haben uns einen hohen Stellenwer­t erarbeitet. Was Porsche für die Autobauer ist, das ist die Marke Fendt für die Traktorenh­ersteller.

Fendt wird heuer mehr Traktoren verkaufen als im Vorjahr, mehr Umsatz machen. Welche Note bekommt Fendt vom Konzernche­f?

Richenhage­n: Meine Leidenscha­ft gilt im Privaten ja den Pferden. Deswegen benutze ich immer den Vergleich: Das Dieselross ist das beste Pferd im Stall von AGCO – in allen Bereichen. Fendt hat bei der Technologi­e die Nase vorn, bei der Produktivi­tät in den Werken und hat hoch motivierte Mitarbeite­r.

Interview: Dirk Ambrosch

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Foto: Kyodo, dpa US Präsident Donald Trump sieht sich starker Kritik ausgesetzt. Doch die Unterstütz­ung der weißen Amerikaner hat er nach wie vor, sagt Amerika Kenner und Firmenchef Martin Richenhage­n. Und diese Unterstütz­ung sei „riesengroß“.

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