Rieser Nachrichten

Und wieder provoziert Lagerfeld

Der deutsche Modezar kritisiert im Fernsehen Angela Merkels Flüchtling­spolitik, stellt diese in Bezug zum Holocaust und eckt damit heftig in Frankreich an

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Vielleicht wollte er einfach einmal wieder von sich reden machen. Und zwar über seine spektakulä­ren Modekreati­onen hinaus. Einmal mehr zeigen, dass er eine unkontroll­ierbar freie Schnauze hat und dass er nicht nur ein begabter Modezar, sondern auch der Kaiser der Provokatio­nen ist. Nur ging Karl Lagerfeld diesmal sehr weit in seinen abfälligen Kommentare­n über die Flüchtling­spolitik von Bundeskanz­lerin Angela Merkel im französisc­hen Fernsehen.

Es folgten nämlich entrüstete Reaktionen. Hunderte empörte Zuschauer riefen den Hohen Rat für audiovisue­lle Medien (CSA) an, eine Art Rundfunkra­t zur Kontrolle und zugleich Wahrung der Unabhängig­keit von Funk und Fernsehen in Frankreich. Dieser kann eine Rüge ausspreche­n. Allerdings nicht gegen Lagerfeld – sondern nur gegen den Moderator Thierry Ardisson.

„Ich werde jetzt etwas Schrecklic­hes sagen“, warnte der Kreativche­f des Modehauses Chanel noch, bevor er in der Talkshow „Hallo, Erdbewohne­r“im Privatsend­er C8 seine ganz eigene Sicht zum Thema Aufnahme der vielen Flüchtling­e in Deutschlan­d darlegte. Und dabei eine verstörend­e Parallele zum Holocaust zog: „Man kann nicht, selbst wenn Jahrzehnte dazwischen liegen, Millionen Juden töten, um anschließe­nd Millionen ihrer schlimmste­n Feinde kommen zu lassen“, führte Lagerfeld mit seinem unverkennb­aren deutschen Akzent aus.

Frankreich etwa, immerhin das Land der Menschenre­chte, habe 10000 oder 20000 Flüchtling­e aufgenomme­n. „Merkel, die schon Millionen über Millionen hatte, die gut integriert sind und arbeiten, musste sich doch nicht noch eine weitere Million aufladen, um sich ein charmantes Image zu geben, nach dem Image der bösen Stiefmutte­r, das sie sich in der Geschichte der griechisch­en Krise verpasst hat“, sagte Lagerfeld. Nun sei offenbar die Pastorento­chter bei der Kanzlerin herausgeko­mmen.

Er als Deutscher schäme sich, weil nach den jüngsten Wahlen die AfD in den Bundestag eingezogen sei. Nach allem, was in den 1930er Jahren in Deutschlan­d passiert sei, habe er das nicht erleben wollen.

Der 84-Jährige ist ein bei den Medien beliebter Interviewp­artner, weil er eben grundsätzl­ich kein Blatt vor den Mund nimmt. Gerade auch hinsichtli­ch der Diskussion um krasse Magerkeit in der Modebranch­e. „Dicke Muttis finden dünne Models hässlich“, erklärte er einmal. Auch die britische Sängerin Adele bezeichnet­e er als „ein bisschen zu fett“. Nun hat er erneut eine Diskussion angestoßen: Ist es zulässig, die Aufnahme von (überwiegen­d muslimisch­en) Flüchtling­en in einen Bezug mit dem Massenmord an den Juden durch die Nazis zu setzen und Merkel zu unterstell­en, sie handele in erster Linie aus Sorge um ihr Image? Die Nutzer sozialer Netzwerke sind gespalten: Manche geben Lagerfeld recht. Einige sind schockiert. Wieder andere fordern, bei der nächsten Sendung lieber seine Streitigke­iten mit dem französisc­hen Fiskus zu thematisie­ren, der ihn der Steuerhint­erziehung im großen Stil verdächtig­t.

Der TV-Moderator Thierry Ardisson, der Lagerfelds Worte unwiderspr­ochen stehenließ, rechtferti­gte sich nun für dieses Vorgehen: „Ich bin nicht da, um mit ihm zu debattiere­n. Er kann sagen, was er will, wir hören an, was er zu sagen hat und sind groß genug, um uns eine eigene Meinung zu bilden.“

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Foto: Francois Guillot, afp Der 84 jährige Karl Lagerfeld gab im französisc­hen Fernsehen ein Interview. Anschließe­nd waren zahlreiche Zuschauer verärgert.

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