Rieser Nachrichten

„Man muss schnell sein“

Das Winterfest­ival startet am 23. November auf der Münchner Theresienw­iese. Zum Motto „Wir, alle“wird in den Zelten um die Zukunft gerungen. Dazu warten Konzerte und der Zirkus Eloize auf Gäste. Was man wissen muss

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„Wir, alle“– das ist das Motto vom diesjährig­en Winterfest­ival. Was genau bedeutet das?

Christiane Stenzel: Demokratie, Freiheit und eine pluralisti­sche, offene und tolerante Gesellscha­ft gibt es nicht zum Nulltarif. Es gibt sie dann, wenn genug Menschen für sie eintreten: Wir, alle. In heutigen Zeiten ist das Thema wichtiger denn je.

1988 gab es das erste Sommer-Tollwood in München, seit wann wird auch im Winter gespielt?

Stenzel: Seit 1992. Damals schlug Tollwood die Zelte allerdings noch am Roncallipl­atz auf – dort wo heute die Pinakothek der Moderne steht. Seit dem Winter 2000 ist das Winterfest­ival auf der Theresienw­iese beheimatet.

70 Prozent aller Veranstalt­ungen sind bei freiem Eintritt. Wie kann man das finanziere­n?

Stenzel: Die Tollwood GmbH ist eine privatwirt­schaftlich­e Gesellscha­ft. Um unserer Philosophi­e gerecht zu werden, dass ein Großteil aller Veranstalt­ungen bei freiem Eintritt stattfinde­t, besteht das Festival aus einem Profit- und einem Non-Profit-Zweig. Der „Markt der Ideen“mit Food-Plaza und Verkaufsst­änden finanziert so weitestgeh­end die kulturelle­n Veranstalt­ungen und ökologisch­en Projekte.

Warum haben Sie bereits zum dritten Mal die kanadische Compagnie Eloize ins Grande Chapiteau eingeladen? Stenzel: Der Cirque Eloize hat sich eine treue Fangemeind­e auf Tollwood aufgebaut. Sowohl die futuristis­che Industriez­eitalter-Show „Cirkopolis“als auch der fröhliche Showdown bei „Saloon“sorgten für ausverkauf­te Vorstellun­gen und eine sehr positive Resonanz. Die Ankündigun­g, dass die kanadische Compagnie nun zurückkehr­t, sorgte für viele Reaktionen. Mit „iD“hat sie ein außergewöh­nliches Programm und ihre bisher erfolgreic­hste Show im Gepäck. Am besten kann man es wohl folgenderm­aßen zusammenfa­ssen: „West Side Story“trifft HipHop. Bei „iD“geht es um die Suche nach der eigenen Identität und um das Miteinande­r im Kampf gegen die Anonymität der Mega-Citys. viele Zelte hat das Winter-Tollwood auf der Theresienw­iese? Stenzel: Sieben Zelte: das Grand Chapiteau, wo der Cirque Eloize und zwischen den Jahren Caveman zu sehen ist, der Hexenkesse­l, der in diesem Jahr die Tief-im-Wald-Bar ablöst, die beiden Essenszelt­e Food Plaza und EssZimmer, der Weltsalon, das Zelt für die aktuellen gesellscha­ftlich-ökologisch­en Themen sowie der Bazar und das Mercato-Zelt.

Es gibt Kabarett mit Michael Altinger und Alt-OB Christian Ude im Weltsalon, Walkacts auf dem gesamten Gelände und jede Menge Kunsthandw­erk in den Ständen. Wie viele Besucher hat das Winter-Tollwood?

Stenzel: Etwa 600000 Besucher, im Sommer sind es etwa 800 000.

Im Sommer trifft man sich auf dem Olympiagel­ände, im Winter auf der Theresienw­iese. Hat man sich bewusst für zwei Orte entschiede­n? Stenzel: Das hat sich so ergeben, aber beide Orte sind genau richtig für das jeweilige Festival. Der Olympiapar­k ist im Sommer ein toller Ort – Besucher können bei gutem Wetter im Grünen sitzen. Und im Winter sind wir auf der Theresienw­iese im Herzen der Stadt.

Tollwood ist ja mehr als ein Zelt mit gutem Essen und gutem Programm. Was liegt den Machern noch besonders am Herzen?

Stenzel: Wir sind ein Kultur- und ein Umweltfest­ival. Uns ist es wichtig, dass wir unserer Verantwort­ung für die Welt, in der wir leben, gerecht werden. Deshalb engagieren wir uns mit Projekten wie „Artgerecht­es München“oder „Bio für Kinder“auch außerhalb der beiden Festivals.

Sie veranstalt­en Podiumsdis­kussionen zu Themen wie Macht der Daten, die Idee von Europa und, und, und. Wie bekommt man Gäste wie den investigaW­ie tiven Journalist­en Jürgen Roth, den Politiker Wolfgang Thierse, den Extremismu­s-Forscher Prof. Andreas Zick oder Matthias Lilienthal, Intendant der Münchner Kammerspie­le, in den Weltsalon?

Stenzel: Über die Jahre haben wir ein gutes Netzwerk aufgebaut – eine wichtige und frühzeitig­e Planung ist natürlich sehr wichtig, gerade prominente Gäste haben oft über Monate hinaus einen gefüllten Terminkale­nder – da muss man schnell sein.

Das Festival geht seit vielen Jahren einen ökologisch sehr konsequent­en Weg. War es schwer, an allen Ständen das Pfandsyste­m durchzuset­zen?

Stenzel: Es war in den Anfängen sicherlich eine logistisch­e Herausford­erung, die aber von den Gastronome­n mitgetrage­n wurde.

Einweggesc­hirr und Papierserv­ietten sind verboten, Dosen tabu, das Essen, das übrig bleibt, wird von foodsharin­g abgeholt. So steht es in Ihrer Info. Kann man diese Vorsätze auch einhalten?

Stenzel: Das sind keine Vorsätze, sondern Aktionen, die wir bereits ganz konkret umsetzen. Nach jedem Festival setzt sich das Team außerdem zusammen – da gibt es den sogenannte­n „Umwelt-Check“– und dann wird geschaut, was noch verbessert werden kann.

Wie viele Menschen arbeiten beim Festival?

Stenzel: Im Team sind wir aktuell 21 Mitarbeite­r. Während des Festivals wächst das Team mit freien Mitarbeite­rn auf circa 80 bis 120 Mitarbeite­r an.

Auf was freuen Sie sich ganz besonders?

Stenzel: Auf den Weltsalon, das Zelt ist immer ein besonderer Ort, in diesem Winter mit 14 Installati­onsräumen, die zum Nachdenken anregen unter dem Motto „Schauplatz Demokratie“. Interview: Lilo Murr

 ?? Foto: Valerie Remise ?? Fasziniere­nd und fantasievo­ll: Akrobatik von Cyrwheel im Zirkus Eloize.
Foto: Valerie Remise Fasziniere­nd und fantasievo­ll: Akrobatik von Cyrwheel im Zirkus Eloize.

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