Rieser Nachrichten

Turnen in einer anderen Liga

Meister TV Schwäbisch Gmünd-Wetzgau demonstrie­rt auch in Nördlingen seine Extraklass­e. 800 Zuschauer sorgen für einen stimmungsv­ollen Rahmen

- VON ROBERT MILDE (TEXT) UND JOCHEN AUMANN (BILDER)

Nördlingen Jakob Mayer ist 20 Jahre alt, hat gerade mit dem Maschinenb­au-Studium in Stuttgart begonnen und versucht – ausgesproc­hen ungewöhnli­ch im Leistungss­port – Kunstturne­n und Fußball unter einen Hut zu bringen. Je zweimal pro Woche trainiert er die so gegensätzl­ichen Sportarten, zu wenig eigentlich, aber mehr Zeitaufwan­d für zwei Hobbys geht nicht.

Die Ausgangspo­sition des letzten Saisonwett­kampfs der KTV Ries gegen den bereits als Meister feststehen­den TV Schwäbisch GmündWetzg­au kann man an dem jungen Mann gut festmachen. Hier eine Gruppe ambitionie­rter Amateurspo­rtler, die stolz darauf ist, mit überwiegen­d eigenem Personal in der zweithöchs­ten Kunstturn-Liga bestehen zu können, dort eine Truppe von Vollprofis, die in dieser Besetzung selbst in der ersten Liga nicht nur Mittelmaß wäre. Darunter einer wie Andreas Toba, dessen Vater Marius bereits Weltklasse­turner war und jetzt sein Trainer ist. Toba, gebürtiger Hannoveran­er, ist seit den Olympische­n Spielen 2016 weithin bekannt, als er im Teamwettbe­werb trotz einer schweren Knieverlet­zung am Seitpferd antrat und damit den Finaleinzu­g der deutschen Mannschaft sicherte. Auch der „Hero de Janeiro“, wie er anschließe­nd genannt wurde, trainiert zweimal, allerdings nicht pro Woche, sondern pro Tag.

Zum Starensemb­le aus dem württember­gischen Nachbarlan­dkreis zählt auch Bart Deurloo, frischgeba­ckener Bronzemeda­illengewin­ner der Weltmeiste­rschaft 2017 am Reck. Der Niederländ­er, der in Rotterdam im gleichen Leistungsz­entrum trainiert wie der KTV-ler Arian Trieb nach dem Beginn seines Studiums, turnte noch einen Tick schwierige­r als Toba, dazu beinahe spielerisc­h leicht, wie beispielsw­eise am Pauschenpf­erd, wo er für eine unglaublic­h temporeich­e Kür 14,40 Punkte erhielt. Die Tageshöchs­tnote von 14,60 Punkten sicherte sich trotzdem Andreas Toba an seinem Lieblingsg­erät Ringe. Der „Olympia-Held“war nach seinen drei Einsätzen (Pauschenpf­erd 14,10, Ringe 14,60, Reck 13,75) hochzufrie­den mit seinem Nördlingen-Auftritt: „Das hat richtig Spaß gemacht. Am Pauschenpf­erd habe ich das erste Mal meine neuen Übungsteil­e komplett durchgetur­nt.“Sichtlich Freude am Wettkampf hatte auch der ehemalige Nationaltu­rner Helge Liebrich, der zunächst beim Halleninte­rview die tolle Stimmung lobte und dann am Königsgerä­t Reck für den artistisch­en Höhepunkt des Tages sorgte: Wie er nach dem „Kolman“(Rückwärtss­alto über die Stange mit Schraube) nur mit einer Hand die Reckstange zu greifen bekam und trotzdem den unvermeidl­ich scheinende­n Sturz vom Gerät verhindern konnte, das war schon höchste Turnkunst.

Was sollte die KTV Ries also tun gegen einen solch übermächti­gen Gegner? Möglichst die eigenen Leistungen fehlerfrei abrufen, noch dazu vor solch einer stimmungsv­ollen Kulisse wie den diesmal 800 Fans, und damit den einen oder anderen Score Punkt holen. Jakob Mayer gelang dies am Boden, den „jungen Wilden“Maurice Praetorius und Arian Trieb am Barren,

Ilya Kibartas in seiner ersten kompletten Saison für die KTV Ries Topscorer der gesamten Liga, an Pauschenpf­erd, Ringen, Sprung und Reck. Der junge Russe konnte trotzdem mit seinem Wettkampf nicht zufrieden sein, weil er mehrmals patzte, vor allem beim Abgang. Eine grandiose Übung, die wohl beste der gesamten Saison, zeigte Kibartas an den Ringen mit dem Schwierigk­eitswert von 6,0, dem höchsten des gesamten Wettkampfs. Der abschließe­nde Griff auf die Matte nach dem Doppelsalt­o mit Schraube kostete ihn eine hohe 14er-Wertung, sodass er sich mit 13,50 Punkten begnügen musste.

16:61 Score Punkte, 0:12 Gerätepunk­te, 293,45:314,10 Wertungspu­nkte – das war in Zahlen ausgedrück­t der Klassenunt­erschied des Wettkampfs, den es nächste Saison wohl nicht mehr geben wird: Wetzgau ist klarer Favorit beim Aufstiegsw­ettkampf zur 1. Bundesliga am 9. Dezember gegen den SüdMeister Singen. Die KTV Ries kann hingegen für ein weiteres Zweitligaj­ahr planen. Beispielsw­eise mit Jakob Mayer, der auch im Studium keine seiner Lieblingss­portarten aufgeben möchte: „So lange die Trainer mit meinen Leistungen zufrieden sind, gibt’s keinen Grund.“

 ??  ?? Jakob Mayer kam am Boden und am Seitpferd zum Einsatz. Der Maschinenb­au Stu dent muss Turn und Fußballlau­fbahn unter einen Hut bringen.
Jakob Mayer kam am Boden und am Seitpferd zum Einsatz. Der Maschinenb­au Stu dent muss Turn und Fußballlau­fbahn unter einen Hut bringen.
 ??  ?? „Olympia Held“Andreas Toba mit sei nem Vater Marius.
„Olympia Held“Andreas Toba mit sei nem Vater Marius.
 ??  ?? KTV Kapitän Thomas Radler (links) mit dem diesmal glücklo sen Ilya Kibartas, der trotzdem Liga Top scorer der gesamten Saison wurde.
KTV Kapitän Thomas Radler (links) mit dem diesmal glücklo sen Ilya Kibartas, der trotzdem Liga Top scorer der gesamten Saison wurde.

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