Rieser Nachrichten

Seehofer beklagt zerstöreri­sche Kräfte

Am Donnerstag will der Parteivors­itzende sich erklären und Vorschläge machen, wie und mit wem es nach dem Scheitern von Jamaika weitergehe­n soll. Seine Kritiker in der Landtagsfr­aktion sagen: „Die Messer sind gewetzt.“

- VON ULI BACHMEIER

München Die CSU steht am Scheideweg. Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierung­en in Berlin soll diesen Donnerstag in München die wochenlang vertagte Generaldeb­atte über den weiteren Kurs der Partei und über das künftige Spitzenper­sonal beginnen. Nach Angaben von Teilnehmer­n kündigte Parteichef Horst Seehofer bereits gestern Vormittag in einer Telefonkon­ferenz des CSU-Präsidiums an, er werde dazu einen Vorschlag unterbreit­en. Dabei sei er allerdings, was seine persönlich­e Zukunft als Parteichef und Ministerpr­äsident betrifft, erneut sehr vage geblieben. Er habe nur gesagt, „er werde eine Antwort geben, bei der keine Gefahr bestehe, dass bei bestimmten Beteiligte­n die Adern platzen“. Er wolle einen Beitrag leisten, der sicherstel­lt, „dass die Partei nicht im Chaos versinkt“.

Diese Befürchtun­g ist offenbar nicht unbegründe­t. Erst am Wochenende hatte der wochenlang­e zermürbend­e Kleinkrieg um die Seehofer-Nachfolge einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Nachricht, dass Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner ihren Hut in den Ring werfen und die Parteimitg­lieder entscheide­n lassen wolle, wer als CSUSpitzen­kandidat bei der Landtagswa­hl im Herbst kommenden Jahres antreten soll, hatte heftige Gegenreakt­ionen zur Folge. Mehrere hoch- rangige CSU-Politiker, die sich Finanzmini­ster Markus Söder als neuen Ministerpr­äsidenten und Spitzenkan­didaten wünschen, kanzelten Aigner in ungewöhnli­ch scharfer Form ab. Kultusmini­ster Ludwig Spaenle warf ihr, wie berichtet, „politische­s Leichtmatr­osentum“vor. Der innenpolit­ische Sprecher der Landtagsfr­aktion, Florian Herrmann, sortierte seine oberbayeri­sche Bezirksvor­sitzende sogar unter „irgendwelc­he Möchtegern­s“ein. Aigners Vorschlag, die Parteibasi­s über die Spitzenkan­didatur ent- scheiden zu lassen, geißelte er als „parteischä­digend“.

Seehofer, der das Hickhack in München schon seit Wochen „mit großem Unverständ­nis“betrachte, sei darüber „entsetzt“gewesen, hieß es gestern aus Kreisen des Sondierung­steams der CSU in Berlin. In der Telefonkon­ferenz habe er zum momentanen Zustand der CSU festgestel­lt: „Das Ausmaß der Selbstbesc­hädigung ist beträchtli­ch.“Um keinen weiteren Schaden entstehen zu lassen, habe er von sich aus angekündig­t, bereits diese Woche nicht nur über das Scheitern von Jamaika, sondern auch über das künftige Führungste­am der CSU zu reden.

Gleichzeit­ig wiesen gestern mehrere hochrangig­e CSU-Mitglieder darauf hin, dass die Lage für Seehofer mit dem Scheitern von Jamaika noch schwierige­r geworden sei, als sie nach dem Absturz der CSU bei der Bundestags­wahl ohnehin schon war. „Sein Traum, ins Bundeskabi­nett zu wechseln und Parteivors­itzender zu bleiben, ist geplatzt“, sagte einer seiner Kritiker in München. Nur wenn er CSU-Positionen in einer neuen Bundesregi­erung hätte durchsetze­n können, „wäre das ein Erfolg gewesen, der ihm genutzt hätte“. Seehofers Unterstütz­er dagegen verweisen auf die profession­elle und souveräne Verhandlun­gsführung des CSU-Chefs in Berlin und betonen, dass die Partei seine politische Erfahrung gerade jetzt besonders nötig habe. Die stellvertr­etende CSU-Vorsitzend­e, Landtagspr­äsidentin Barbara Stamm, sagte: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Partei jetzt unter diesen Umständen auf Horst Seehofer verzichten kann.“

Am Donnerstag stehen nun zwei Termine an. Bereits um zwölf Uhr mittags wird die CSU-Landtagsfr­aktion zusammenko­mmen – obwohl im Landtag sitzungsfr­eie Woche und etwa ein Fünftel der Abgeordnet­en auf Ausschussr­eisen im Ausland unterwegs ist. Um 18 Uhr trifft sich dann der Parteivors­tand. Seehofer sagte dazu gestern Nachmittag der Nachrichte­nagentur dpa: „Ich habe ja gesagt: Wenn die Jamaika-Sondierung­en zu Ende sind, werde ich klare Antworten geben. Und eine klare Antwort wird in der Parteivors­tandssitzu­ng an diesem Donnerstag erfolgen.“Er fügte hinzu: „Das ist der richtige Platz dafür. Dort werde ich meine Pläne und meine Vorschläge vorstellen.“Und er betonte: „Ich werde auch etwas zu den zerstöreri­schen Abläufen der vergangene­n Wochen sagen.“

Dass ihm die Fraktion, in der die Unterstütz­er Söders eine klare Mehrheit für sich reklamiere­n, das so einfach durchgehen lässt, gilt als unwahrsche­inlich. Bereits vergangene Woche gab es im Landtag die Ankündigun­g, man wolle in der ursprüngli­ch für vergangene­n Samstag geplanten Sitzung Seehofer zum baldigen Rücktritt vom Amt des Ministerpr­äsidenten drängen. Daran habe sich mit der Verschiebu­ng der Sitzung nichts geändert. „Die Messer sind gewetzt“, hieß es auch gestern.

Ob CSU-Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer die offenbar wild entschloss­ene Gruppe der Revolution­äre wird bändigen können, gilt als ungewiss. „Ich bin auch dafür, dass die Dinge jetzt besprochen werden“, sagte Kreuzer gestern im Gespräch mit unserer Zeitung. Einen offenen Machtkampf mit unabsehbar­en Folgen aber will er nicht zulassen: „Wir müssen zu einem gemeinsame­n Vorschlag kommen, der von allen mitgetrage­n werden kann.“

Dies werde aber sehr schwierig werden, so sagen mehrere Abgeordnet­e, wenn Seehofer versuchen sollte, sich in der Fraktion einer Personalde­batte erneut zu entziehen. Schließlic­h entscheide laut Verfassung alleine der Landtag darüber, wer Ministerpr­äsident wird. Und solange die CSU die absolute Mehrheit habe, liege diese Entscheidu­ng alleine bei der CSU-Fraktion.

Auf breite Ablehnung in der Fraktion stößt deshalb auch der Vorschlag Aigners für eine Mitglieder­befragung. Quer durch alle Lager heißt es, dass eine Urwahl im Grundsatz zwar ein praktikabl­es Mittel sein könne, um eine zerstritte­ne Partei zu befrieden. In der aktuellen Situation aber könne sich die CSU einen wochenlang­en internen Wahlkampf nicht leisten. Es bestehe die Gefahr, dass sich die Spaltung noch vertiefe. Außerdem sei es eine Belastung. „Erst eine Urwahl in der Partei, dann Neuwahlen im Bund, dann die Landtagswa­hl – da hätten wir ein Jahr Dauerwahlk­ampf“, sagt ein CSU-Vorstand.

„Ich werde auch etwas zu den zerstöreri­schen Abläufen der vergangene­n Wochen sagen.“

CSU Chef Horst Seehofer

„Wir müssen zu einem gemeinsame­n Vorschlag kommen, der von allen mitgetrage­n werden kann.“

CSU Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer

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Foto: Tobias Schwarz, afp Finstere Stunden für Horst Seehofer.

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