Rieser Nachrichten

Drei Jahre Haft für Schlecker gefordert

Staatsanwä­lte halten es für erwiesen, dass der frühere Drogeriema­rkt-Unternehme­r Millionen beiseite geschafft hat. Eine frühere Mitarbeite­rin fordert vor allem eine Entschuldi­gung

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Stuttgart Die Staatsanwa­ltschaft will Ex-Drogeriema­rkt-Unternehme­r Anton Schlecker ins Gefängnis bringen. Im Prozess vor dem Stuttgarte­r Landgerich­t forderten die Vertreter der Anklage am Montag drei Jahre Haft für den 73-Jährigen. Sie halten es für erwiesen, dass Schlecker Millionen beiseite geschafft hat, obwohl er die Insolvenz seines Imperiums schon kommen sah – oder sie zumindest hätte kommen sehen müs- sen. In zwei der zahlreiche­n Anklagepun­kte sehen die Ankläger sogar einen besonders schweren Fall des Bankrotts.

Die Verteidigu­ng hält sowohl das, als auch die Forderung nach einer Haftstrafe für überzogen, nannte aber selbst kein Strafmaß, das sie für angemessen hält. Schlecker selbst hat im Prozess die Vorwürfe immer zurückgewi­esen und stets betont, nie am Fortbestan­d seines Lebenswerk­s gezweifelt zu haben.

Auch für seine beiden mitangekla­gten Kinder, Lars und Meike, forderte die Staatsanwa­ltschaft Haftstrafe­n. Sie sollen für zwei Jahre und zehn Monate beziehungs­weise zwei Jahre und acht Monate in Haft. Ihnen wirft die Anklage ebenfalls Bankrott und außerdem Beihilfe zum Bankrott, Untreue und Insolvenzv­erschleppu­ng vor.

Lars und Meike Schlecker gehörte die Logistik-Tochterfir­ma LDG, die zum Imperium ihres Vaters zählte. Dort sollen sie sich selbst Gewinne von sieben Millionen Euro ausgezahlt haben, die es laut Anklage gar nicht mehr gab – und damit eine Überschuld­ung herbeigefü­hrt haben. Am kommenden Montag will das Landgerich­t Stuttgart sein Urteil sprechen.

Der Prozess drehte sich vor allem um die Frage, wann genau Schlecker klar gewesen sein muss, dass seiner Firma die Zahlungsun­fähigkeit drohte – denn von da an hätte er kein Geld mehr daraus abziehen dürfen. Als Einzelkauf­mann haftete Anton Schlecker mit seinem privaten Vermögen für die Firma.

In der Anklage war noch von Ende 2009 die Rede, davon rückte die Staatsanwa­ltschaft später ab und hält nun Ende 2010 für den fraglichen Zeitpunkt. Angemeldet hat Schlecker die Insolvenz im Januar 2012. Für die Drogerieke­tte bedeutete das damals den Untergang, Zehntausen­de verloren in den folgenden Monaten ihre Jobs, die Forderunge­n der Gläubiger summieren sich auf über eine Milliarde Euro.

Aus Sicht der Staatsanwa­ltschaft hatte ein jahrelange­r Umsatzrück­gang schon 2009 zu „massiven Liquidität­slücken“bei Schlecker geführt. Man habe in der Verhandlun­g das Bild eines Unternehme­ns bekommen, „in dem es ab 2009 nur noch darum ging, Löcher zu stopfen und sich von einer Liquidität­slücke zur nächsten zu hangeln“.

Trotzdem soll Schlecker – so der Vorwurf – weiterhin zu hohe Stundensät­ze an die Tochterfir­ma LDG bezahlt und seinen Kindern auf diesem Wege Geld zugeschanz­t haben. Außerdem listet die Anklage zahlreiche Geschenke und Kostenüber­nahmen zugunsten der Familie auf – Geld, das aus ihrer Sicht in der Firma hätte bleiben müssen. Insgesamt geht es nach Angaben der Behörde um gut 16 Millionen Euro.

Schleckers Anwalt Norbert Scharf nannte den Vorwurf des besonders schweren Bankrotts in seinem Plädoyer „abwegig“und sprach selbst von einem minder schweren Fall. Die Verteidigu­ng bezweifelt, dass Schlecker die nahende Insolvenz deutlich früher hätte er- kennen müssen, und stellt auch die beiden Gutachten in Frage, auf die sich die Staatsanwa­ltschaft stützt. Eines dreht sich darum, wann eine Insolvenz des Schlecker-Konzerns absehbar war, das andere befasst sich mit den LDG-Stundensät­zen. „Bei der Bewertung dieser Gutachten liegen wir weit auseinande­r“, sagte Scharf. Er verwies zudem darauf, dass Anton Schlecker die unternehme­rische Verantwort­ung für

Verteidige­r halten Haftstrafe für überzogen

Die Schleckers zahlten noch einmal vier Millionen

sein Handeln übernommen habe – inklusive Verlust seines gesamten Vermögens. „Viele machen sich vorher vom Acker“, sagte Scharf. Vor gut einer Woche hatten Schlecker und seine Kinder noch einmal vier Millionen Euro an den Insolvenzv­erwalter gezahlt, die in die Insolvenzm­asse fließen. Die Staatsanwa­ltschaft sprach zwar von einem „gewichtige­n Beitrag zur Schadenswi­edergutmac­hung“, ließ sich davon aber nicht von ihrer Forderung abbringen.

Die Ex-Schlecker-Betriebsra­tschefin Christel Hoffmann würde sich eher eine aufrichtig­e Entschuldi­gung wünschen. „Von ihrer Verantwort­ung kann und werde ich die Familie Schlecker nicht freisprech­en“, stellte sie klar. „Was ändert es aber für uns, wenn die Familie Schlecker ins Gefängnis muss? Gar nichts.“Die Arbeitsplä­tze kämen davon nicht wieder.

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Foto: Marijan Murat Der ehemalige Drogerieke­tten Besitzer Anton Schlecker und seine Tochter Meike am Montag auf dem Weg zum Landgerich­t in Stuttgart. Wie so oft trägt Anton Schlecker ei nen Rollkragen Pullover. Wie so oft wählt er ein dunkelfarb­iges Modell – ein Kontrast...

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