Bagatellisieren schadet Opfern
Wieder ist ein Fall sexuellen Missbrauchs durch einen katholischen Pfarrer bekannt geworden; wieder sitzt der Schock tief; wieder gibt es diese Reaktionen:
1. Das Opfer hätte sich doch bereits früher melden können/müssen. Soll dem Geistlichen etwas angehängt werden? Will da jemand Geld von ihm oder der Kirche?
2. Der Geistliche war doch ein guter Seelsorger. Man solle ihn in Ruhe lassen. Wer ohne Sünde sei, der werfe den ersten Stein!
Wer so argumentiert, macht es sich nicht nur zu einfach. Er spielt Fälle sexuellen Missbrauchs – selbst wenn sie strafrechtlich verjährt sein sollten – herunter. Und erschwert es Opfern, sich jemandem anzuvertrauen und möglicherweise noch Hilfe zu erhalten. Sie leiden oft jahrzehntelang und ringen ebenso lange mit sich, ihr Leid zu teilen. Schließlich wollen sie nicht ein zweites Mal zum Opfer werden.
Wer bagatellisiert, lässt die Hürden für sie wachsen. Mit der Folge, dass Übergriffe ihrer Peiniger notgedrungen keine Konsequenzen haben. Dabei wurde in den vergangenen Jahren immer wieder deutlich, dass es den öffentlichen Druck von Opfern oder Medien braucht, damit sich etwas zum Besseren wendet. Innerhalb der katholischen Kirche ist das durchaus in den vergangenen Jahren geschehen, etwa mit Blick auf Präventionsmaßnahmen. Der Fall des Nördlinger Stadtpfarrers zeigt: Es darf kein Nachlassen geben.