Rieser Nachrichten

1000 Seiten Buch in 100 Minuten Tanz

Choreograf Christian Spuck verdichtet in seiner „Anna Karenina“den Roman Tolstois zu einem Ballett. Das gelingt nur bedingt

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF vember und 1. Dezember am 25. No

München Schon 2014 hatte Christian Spuck, ehemals Haus-Choreograp­h des Stuttgarte­r Balletts und nun Ballettdir­ektor am Opernhaus Zürich, seine Bearbeitun­g von Tolstois „Anna Karenina“in Zürich herausgebr­acht. Zur hochromant­ischen Musik von Sergej Rachmanino­w sowie moderneren Klängen unter anderem von Witold Lutoslawsk­i verdichtet Spuck das monumental­e Werk Tolstois auf die drei Ehepaare der Geschichte: den Schürzenjä­ger Oblonski und seine duldsame Frau Dolly, deren Schwester Kitty, den Gutsherren Lewin und die Kare- nins, jenen strengen Beamten und seine Frau, die ihren Mann mit dem Grafen Wronski betrügt. Auf nahezu leerer Bühne (Jörg Zielinski) spielt sich zwischen fünf Birkenstäm­men das Drama um die fremdgehen­de Frau ab, die gegen die bürgerlich­en Konvention­en verstößt, von einer gnadenlose­n feinen Gesellscha­ft verstoßen wird, in ihrer Liebe aber nicht glücklich werden kann. In Moskau, Oslo und Seoul wurde das Stück seitdem übernommen, beim Bayerische­n Staatsball­ett München feierte nun das Publikum die deutsche Erstauffüh­rung.

Doch bleibt bei dieser Transforma­tion von Literatur in Ballett, von rund 1000 Seiten in gute 100 Minuten, nicht nur die dramaturgi­sche Präzision auf der Strecke, sondern auch der choreograf­ische Zug. Streckenwe­ise legt Spuck mehr Wert auf den erzähleris­chen Gestus als den tänzerisch­en. Da stehen die Akteure dann auf der Bühne, gehen, schreiten, fahren Rad oder blicken durch ihre zu Brillen geformten Hände, aber sie tanzen nicht. Und das schafft Längen.

Im Gedächtnis bleiben trotzdem großartige Szenen wie die jener fasziniere­nde Pas de trois, in dem das komplizier­te Beziehungs­geflecht von Karenin, Anna und Wronski sichtbar wird. Wunderbar auch Jo- nah Cook als Lewin mit einem ausdruckst­arken Solo und im Ensembleta­nz mit den Feldarbeit­ern, zu dem eine Klangcolla­ge aus Sensengerä­uschen den Takt vorgibt – zeitgenöss­ische Akzente in der sonst neoklassis­chen Choreograf­ie. Überhaupt kann sich Christian Spuck auf die hervorrage­nden Solisten des Staatsball­etts verlassen: Ksenia Ryzhkova (Karenina), Erik Murzagaliy­er (Karenin) Ivy Amista (Dolly), Tigran Mikayelyan (Oblonski), Jekaterina Schtscherb­azkajaund als Gast Mattthew Golding (Wronski). ONächste

Vorstellun­gen

 ?? Foto: Wilfried Hösl ?? Eine komplizier­te Beziehung zu dritt: Anna Karenina (Ksenia Ryzhkova), ihr Liebha  ber (Matthew Golding) und ihr Mann (Erik Murzagaliy­er ).
Foto: Wilfried Hösl Eine komplizier­te Beziehung zu dritt: Anna Karenina (Ksenia Ryzhkova), ihr Liebha ber (Matthew Golding) und ihr Mann (Erik Murzagaliy­er ).

Newspapers in German

Newspapers from Germany