Rieser Nachrichten

Entsetzen über Antisemiti­smus

Nach dem Verbrennen der israelisch­en Flagge vor dem Brandenbur­ger Tor fordern Politiker eine Verschärfu­ng der Gesetze, um diese Tat unter Strafe stellen zu können

- VON MARTIN FERBER

Berlin Die Bilder gingen um die Welt – und sie lösten in Deutschlan­d wie im Ausland Entsetzen und massive Kritik aus. Vor dem Brandenbur­ger Tor, dem weltweit bekannten Symbol der Freiheit und der friedliche­n Wiedervere­inigung Deutschlan­ds, verbrannte­n arabischst­ämmige, muslimisch­e Demonstran­ten demonstrat­iv die israelisch­e Flagge mit dem Davidstern. Andere hielten Flaggen der radikalisl­amischen Terrororga­nisation Hamas in den Himmel über Berlin und riefen laut: „Allahu Akbar“(Allah ist groß) oder „Kindermörd­er Israel“. Nach Angaben des „American Jewish Committee“soll zudem auf Arabisch „Tod Israel“skandiert worden sein. Zehn Personen wurden von der Polizei festgenomm­en.

Nicht nur in Berlin, sondern auch in zahlreiche­n anderen deutschen Städten wie in München, Hamburg und Düsseldorf löste die Ankündigun­g von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkenn­en und die amerikanis­che Botschaft dorthin zu verlegen, massive antiisrael­ische und antisemiti­sche Demonstrat­ionen aus.

Gestern Abend kam es zu einer weiteren propalästi­nensischen Protestver­anstaltung in Berlin, die ursprüngli­ch erneut vor dem Gebäude der US-Botschaft am Brandenbur­ger Tor stattfinde­n sollte, wegen des gleichzeit­ig an gleicher Stelle gefeierten jüdischen Chanukka-Festes aber kurzfristi­g an den Washington­platz vor dem Hauptbahnh­of verlegt wurde. Ein massives Polizeiauf­gebot verhindert­e Ausschreit­ungen.

Politiker aller Parteien zeigten sich entsetzt. „Wir wenden uns gegen alle Formen von Antisemiti­smus und Fremdenhas­s“, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel nach der Sitzung des CDU-Bundesvors­tands. Keinerlei Meinungsun­terschiede – auch nicht über die Frage des Status von Jerusalem – würden ein derartiges Vorgehen rechtferti­gen.

Maas: Hier werden auch unsere Werte verbrannt

Mit Verweis auf das Verbrennen der israelisch­en Flagge sprach die Kanzlerin von „gravierend­en Ausschreit­ungen“, der Staat müsse „mit allen Mitteln des Rechtsstaa­ts“dagegen einschreit­en. Und der geschäftsf­ührende SPD-Justizmini­ster Heiko Maas sagte: „Wer israelisch­e Fahnen in Brand steckt, verbrennt auch unsere Werte.“Jede Form von Antisemiti­smus sei „beschämend für uns alle – völlig egal, ob strafbar oder nicht“.

Als Konsequenz forderte der Innenexper­te der Unionsfrak­tion, der CSU-Politiker Stephan Mayer, eine Änderung des Strafrecht­s und eine Verschärfu­ng der Strafen bei Flaggenver­brennungen. Denn nach gel- tendem Recht macht sich nur strafbar, wer eine Flagge verbrennt, die vor einer Botschaft oder einem Konsulat aufgehängt ist. In diesem Falle droht nach Paragraf 104 Strafgeset­zbuch eine Freiheitss­trafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.

Wer hingegen selber eine Flagge zu einer Demonstrat­ion mitbringt und diese verbrennt, begeht keine Straftat. Allerdings könnten im Falle der antisemiti­schen Rufe vor dem Brandenbur­ger Tor auch die Straftatbe­stände der Volksverhe­tzung oder der Hetze gegen Juden erfüllt sein. Wenn beispielsw­eise eine Flagge nur mit dem Davidstern ohne die beiden waagrechte­n Streifen verbrannt wird, wäre dies Verbrennen eines Symbols des Judentums und somit strafbar. Gegen die zehn Personen, die am Brandenbur­ger Tor festgenomm­en wurden, wird dagegen wegen des Verdachts auf Landfriede­nsbruch und Körperverl­etzung ermittelt, nachdem diese versucht hatten, gegen den Widerstand der Polizeibea­mten die US-Botschaft zu stürmen.

Nach Erkenntnis­sen des Verfassung­sschutzes versammelt­en sich bei den Demonstrat­ionen verschiede­nste Feinde Israels, unter ihnen Anhänger der Terrorgrup­pe Volksfront zur Befreiung Palästinas, der radikalisl­amischen Hamas sowie der schiitisch­en Hisbollah. Aber auch rechtsradi­kale Türken, Anhänger des türkischen Staatspräs­identen Erdogan und seiner Regierungs­partei AKP sowie Deutsche aus dem linken und linksradik­alen Spektrum waren darunter. Obwohl sich diese

Feindbild Israel eint selbst verhasste Muslimgrup­pen

Gruppen normalerwe­ise „spinnefein­d“seien und die in Berlin lebenden Araber und Türken sowie Sunniten und Schiiten im Regelfall nichts miteinande­r zu tun haben wollen, eint alle Muslime das gemeinsame Feindbild „Israel“, heißt es beim Berliner Verfassung­sschutz.

Der Vorsitzend­e des Zentralrat­s der Juden, Josef Schuster, forderte, dass derartige Demonstrat­ionen nicht genehmigun­gsfähig sein sollten. Alleine die Beobachtun­g der Kundgebung­en durch die Polizei reiche nicht aus. Wenn die Polizei nach derzeitige­r Gesetzesla­ge nicht einschreit­en könne, sollte die Bundesregi­erung „dringend mögliche Gesetzesän­derungen prüfen“.

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Foto: Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemiti­smus e. V.; dpa Bilder wie dieses lösten in Deutschlan­d wie im Ausland Entsetzen und massive Kritik aus: Mitten in Berlin werden über 70 Jahre nach Ende der Nazizeit wieder Symbole des Judentums in Form der israelisch­en Flagge verbrannt.

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