Rieser Nachrichten

Die KoKo – eine Erfindung aus Illertisse­n?

Berlin diskutiert über eine abgespeckt­e Variante der Großen Koalition. Mittendrin: der Abgeordnet­e Brunner

- VON RUDI WAIS

Augsburg/Berlin Neulich, beim SPD-Parteitag. Die Vorstandsw­ahlen schleppen sich gerade in ihre letzte Runde, als der Abgeordnet­e Karl-Heinz Brunner am Rande des Plenums über die etwas andere Große Koalition zu spekuliere­n beginnt. „Warum legen wir uns eigentlich immer bis ins letzte Detail fest“, fragt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Würde es nicht genügen, sich auf einige wenige Themen zu konzentrie­ren, die Union und SPD wichtig sind, diese dann in einer Koalition gemeinsam anzugehen – und sich für alles andere wechselnde Mehrheiten im Parlament suchen? „Den Bundestag“, sagt Brunner, „würde das auf jeden Fall stärken.“

Was zunächst nur wie das Gedankensp­iel eines mittelpräc­htig bekannten Abgeordnet­en aus Illertisse­n klingt, hat das politische Berlin inzwischen zur „Kooperatio­nskoalitio­n“hochgejazz­t – oder, ganz kurz: KoKo. Bei der Sitzung der Bundestags­fraktion am Montagaben­d deutete Parteichef Martin Schulz eine solche Variante jedenfalls als eines von mehreren Modellen an, über die er von heute an mit den Vorsitzend­en von CDU und CSU, Angela Merkel und Horst Seehofer, reden will. Was in einer solchen KoKo fix vereinbart werden soll und was lieber offenbleib­t, verriet Schulz der Fraktion zwar noch nicht. Sein Parteifreu­nd Brunner allerdings hat davon schon ziemlich präzise Vorstellun­gen. Vor allem über den Haushalt, sagt der, müssten Union und SPD sich verständig­en – und natürlich in den Fragen der inneren und der äußeren Sicherheit. „Hier darf man nicht lange herumdebat­tieren, hier muss man entscheide­n.“

Karl-Heinz Brunner zählt sich in der SPD zu den Seeheimern, dem konservati­ven Flügel – das Copyright für die KoKo aber beanspruch­t bisher die Parteilink­e für sich. Mit einer solchen Herangehen­sweise, betont ihr Wortführer Matthias Miersch, könnte die SPD viel freier agieren, weil nicht mehr auf hunderten von Seiten penibel aufgeschri­eben werde, was bis zum Ende der Legislatur in jedem Fachbereic­h genau zu geschehen habe: „Wir haben dann die Freiheiten, jenseits einer solchen Zusammenar­beit mit anderen Fraktionen zu stimmen.“

Wie das gehen kann, zeigt die Einführung der Ehe für alle aus der zurücklieg­enden Wahlperiod­e, bei der die Regierungs­partei SPD mit der Opposition gemeinsame Sache gemacht und die C-Parteien vor vollendete Tatsachen gestellt hat. Auch deshalb hält die Union nicht viel von der KoKo, die für Deutschlan­d ein echtes Novum wäre. CSUChef Horst Seehofer hält vor ihr gar nichts: „Die sollen sich jetzt an den Tisch setzen mit uns und arbeiten – und nicht ständig solche Vorschläge, die man mehr aus der Krabbelgru­ppe kennt, auf den Tisch legen“, forderte er. „Man kann nicht zum Teil regieren und zum anderen Teil opponieren. Das geht nicht.“

Zu den zehn bis 15 Themen, die eine KoKo anpacken müsste, zählen die Sozialdemo­kraten auch die Außenund Verteidigu­ngspolitik, eine engere Zusammenar­beit in Europa und eine Steuerrefo­rm, die Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen entlastet. Anders als bei einer Tolerierun­g oder einer Minderheit­sregierung der Union säßen bei dieser Variante auch sozialdemo­kratische Minister im Kabinett.

Wer die KoKo tatsächlic­h erfunden hat, der Abgeordnet­e Brunner oder einer der SPD-Linken – das ist noch nicht wirklich geklärt. Brunner nimmt es gelassen: „Wenn das Ergebnis passt, dann ist es egal, wer es erfunden hat.“

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Fotos: A.Brücken/B. Peders, dpa Zwei Männer, ein Ziel – die KoKo. Mat thias Miersch (rechts) und Karl Heinz Brunner?
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