Gegen die Resignation
Gertrud Welchner arbeitet in der Nördlinger Obdachlosenunterkunft. Welches Ziel sie schon erreicht hat
Nördlingen Das größte Problem ist die Resignation, sagt Gertrud Welchner. Dass die Menschen aufgegeben haben, dass sie ihre Lage aussichtslos einschätzen. „Sie fühlen sich abgestellt.“Deshalb sei der größte Part an ihrer Arbeit auch die Motivation. Seit Februar arbeitet die Sozialpädagogin Gertrud Welchner in der neuen Obdachlosenunterkunft in Nördlingen, zehn Stunden pro Woche ist sie für die Menschen da. Wie wichtig ihre Arbeit ist, betonte Oberbürgermeister Hermann Faul am Montag in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses des Nördlinger Stadtrates: „Man muss um jeden Einzelnen kämpfen.“
Gertrud Welchner berichtete den Mitgliedern des Ausschusses, dass derzeit 14 Männer in der Unterkunft An der Lach leben. Der jüngste Bewohner sei 27 Jahre, der älteste 80 Jahre alt. Fünf Männer beziehen bereits eine Rente, neun bekommen Arbeitslosengeld II. Vier Personen leben bereits seit mehr als einem Jahr in der Unterkunft. Andere haben sie wieder verlassen – um in ein Pflegeheim zu gehen, um eine Suchttherapie zu beginnen oder um eine Haftstrafe abzusitzen.
Viele hätten Probleme mit einer Behinderung, auch Suchterkrankungen seien ein großes Thema. „Dazu kommen Geldnot, Schulden und Meinungsverschiedenheiten.“Die Bewohner gehen zu Gertrud Welchner, wenn sie etwas nicht mehr alleine schaffen, sie begleitet sie zu Terminen und hat auch bereits gesetzliche Betreuer für zwei Bewohner angeregt. Sie vermittelt weitere Hilfsangebote, informiert.
Ihr Ziel ist es, die Bewohner wieder „mietfähig“zu machen – dazu gehöre Sauberkeit und Zuverlässigkeit. In einem Fall ist es Gertrud Welchner, die seit 15 Jahren beim Diakonischen Werk in Nördlingen arbeitet, geglückt: „Ein Bewohner ist in eine eigene Wohnung gezogen. Er wird auf eigenen Wunsch nachbetreut.“Ein zweiter Bewohner kann demnächst eine kleine Wohnung der Nördlinger Baugenossenschaft beziehen. Allerdings auf Probe, nach sechs Monaten wird überprüft, ob der Mann es schafft. Gertrud Welchner hat das Gefühl, dass die wenigsten Bewohner der Obdachlosenunterkunft in Nördlingen ihr Leben aus eigenem Antrieb verändern können. Deshalb will sie die Resignation der Menschen durchbrechen.
Die Stadt Nördlingen sei eigentlich nicht für die Betreuung der Obdachlosen zuständig, sagte Faul. Doch er ist froh, dass sich die Sozialpädagogin um die Menschen kümmert, auch im nächsten Jahr. Dann hofft Faul auch, dass der Landkreis die Notwendigkeit für Welchners Arbeit sieht – und sich künftig an den Kosten beteiligt.