Rieser Nachrichten

Erdogan heizt den Nahost Konflikt an

Der türkische Präsident will mit scharfen Attacken den Jerusalem-Streit nutzen, um eine Führungsro­lle in der muslimisch­en Welt zu übernehmen. Doch sein Erfolg bleibt fraglich

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Von der Organisati­on für Islamische Zusammenar­beit OIC nahm man im Westen bislang meist nur in Fachkreise­n Notiz, doch nun rückt sie mit einem Schlag ins Zentrum der Weltöffent­lichkeit. Der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan hatte als derzeitige­r Ratsvorsit­zender ein OIC-Sondertref­fen einberufen, um Donald Trump eine gemeinsame Antwort der islamische­n Welt entgegenzu­setzen. Zwar war Trumps Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt Israels von muslimisch­en Nationen kritisiert worden, allerdings in sehr unterschie­dlicher Schärfe. Viele Staaten wollen es sich in der Streitfrag­e nicht mit den USA verderben.

Bei dem Treffen in einem Konferenzz­entrum in Istanbul versuchte Erdogan deshalb, die Delegierte­n auf eine scharfe Linie gegenüber den USA einzuschwö­ren. Er nannte Israel einen „Besatzungs­staat“und einen „Terrorstaa­t“und warf Washington vor, nicht an der Seite der friedliebe­nden Kräfte im Nahen Osten zu stehen. Das mache Frieden unmöglich. „Das Schicksal Jerusalems kann nicht einem Land überlassen werden, das sich von Blut ernährt und seine Grenzen erweitert, indem es Kinder, Zivilisten und Frauen brutal ermordet“, gab Erdogan den Scharfmach­er.

Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas betonte, die USA hätten sich als Vermittler im Konflikt zwischen Israel und den Palästinen­sern disqualifi­ziert. Trump wolle Jerusalem den Israelis zum „Geschenk“machen, ganz so, als ob der amerikanis­che Präsident allein über die Angelegenh­eit entscheide­n könne. „Niemals“wieder könnten die USA beim Friedenspr­ozess eine Rolle spielen, sagte Abbas. Schon vor der Konferenz in Istanbul hatte der Palästinen­serchef diese Haltung in die Tat umgesetzt, indem er ein Treffen mit US-Vizepräsid­ent Mike Pence ausschlug, der in den kommenden Tagen in Nahost erwartet wird.

So weit wie Abbas wollen andere trotz der teilweise scharfen Rhetorik nicht gehen. In der Abschlusse­rklärung wird zwar mit großer Symbolik Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines künftigen Palästinen­ser-Staates anerkannt. Allerdings hat dies die OIC schon früher längst beschlosse­n, ebenso die nun wiederholt­e Forderung an die internatio­nale Gemeinscha­ft, Palästina als Staat und Ost-Jerusalem als „besetzte“Palästinen­ser-Hauptstadt zu betrachten. Die Vertreter der 57 OIC-Mitgliedst­aaten erklärten zwar ebenso Trumps Jerusalem-Ankündigun­g für null und nichtig. Doch anders als bei Trump gab es in dem Abschlussp­apier keinerlei Festlegung auf Konkretes: Von einer Verlegung der Botschafte­n muslimisch­er Länder nach Ost-Jerusalem war keine Rede. Auch Erdogans Ankündigun­g, die Beziehunge­n der Türkei zu Israel abzubreche­n, wurde nicht mehr erwähnt.

Ohnehin lautet die Frage, wie viel die gemeinsame Haltung der OIC im politische­n Alltag wert ist. SaudiArabi­en etwa, das als Hüterin der heiligen Städte Mekka und Medina sowie als treuer Partner der USA eine Schlüsselr­olle spielt, geht offenbar eigene Wege. Noch während die Konferenz von Istanbul tagte, bestätigte der israelisch­e Geheimdien­stminister Yisrael Katz gegenüber der Zeitung Haaretz, er habe den saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman nach Israel eingeladen. Saudi-Arabien könne beim Versuch zur Wiederbele­bung des israelisch-palästinen­sischen Friedenspr­ozesses eine entscheide­nde Funktion einnehmen, sagte er. Laut Medienberi­chten hat sich der Kronprinz bereits in der Vergangenh­eit mehrmals mit israelisch­en Regierungs­vertretern getroffen.

Diese Verbindung­en entspreche­n dem Kalkül der Trump-Regierung in Washington. Sie will eine neue Allianz aus Saudi-Arabien, anderen Golfstaate­n und Israel bilden, um gegen die Machterwei­terung des gemeinsame­n Gegners Iran in der Region vorgehen zu können. Die OIC oder Erdogan, der in der islamische­n Welt eine Führungsro­lle anstrebt, kommen in diesen Plänen nicht vor. Im Gegenteil: Erdogans Auftreten wird in den USA mit immer größerem Misstrauen verfolgt.

Ost Jerusalem als Hauptstadt der Palästinen­ser anerkannt

 ?? Foto: Yasin Agul, afp ?? Türkischer Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan auf dem OIC Gipfel: brachiale Töne gegenüber Israel.
Foto: Yasin Agul, afp Türkischer Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan auf dem OIC Gipfel: brachiale Töne gegenüber Israel.

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