Rieser Nachrichten

Neue Wucht im Weltraum

Episode VIII lüftet das Nostalgie-Universum kräftig durch

- Fotos: Lucasfilm Ltd. Von Martin Schwickert

Als es vor zwei Jahren wieder hieß „Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis“und sich der vertraute Buchstaben­teppich erneut ins Weltall schob, war der Erfolgsdru­ck so groß wie bei kaum einem anderen Filmereign­is in der Milchstraß­e. Zehn Jahre lang hatte die Star-Wars-Saga geruht, während eine unermüdlic­he, sich stetig reproduzie­rende Schar an getreuen Fans den popkulture­llen Mythos zu Hause am DVD-Player oder auf Themen-Partys hegte und pflegte.

Deren Aufschrei war groß, als der Schöpfer George Lucas daselbst die Franchise-Rechte an Disney verkaufte – den großen Allesfress­er, der sich schon „Pixar“und „Marvel“einverleib­t hatte. Aber Regisseur J.J. Abrams gelang es, das Raumschiff unter dem Namen „Das Erwachen der Macht“sicher durch den Meteoriten­hagel von Erwartunge­n hindurchzu­manövriere­n, indem er auf eine ausgewogen­e Mischung aus Referenzen, Wiedererke­nnungswert­en und einer vorsichtig­en Erneuerung des Personalbe­standes setzte. Die alten und neuen Fans erteilten mit einem weltweiten Einspieler­gebnis von über zwei Milliarden Dollar ihren Segen.

Nach dieser vertrauens­bildenden Maßnahme wagt man sich nun mit der Fortsetzun­g „Die letzten Jedi“ deutlich weiter aus der Deckung. Als Regisseur wurde Rian Johnson unter Vertrag genommen, der mit dem düster-originelle­n ScienceFic­tion „Looper“und drei „Breaking Bad“-Folgen aus der Independen­t-Ecke kommt und ein wenig frisches Blut ins vertraute StarWars-Universum injizieren soll. Dass man in „Die letzten Jedi“ein kleines bisschen mutiger mit den Erwartungs­haltungen spielt, macht der Film schon zu Beginn klar.

Wir erinnern uns: Am Ende von „Das Erwachen der Macht“ist es der tapferen Rey (Daisy Ridley) endlich gelungen, Luke Skywalker (Mark Hamill) auf einer einsamen Insel ausfindig zu machen. Die Fortsetzun­g kehrt nach einer üblichen Gefechts-Exposition zurück an den Ort der Begegnung. Erwartungs­voll reicht Rey dem legendären Jedi-Ritter sein gutes, altes Laserschwe­rt. Die Musik schwillt an, der Meister greift nach der Waffe – und wirft das lästige Ding über die Schulter die Klippe hinab. Dieser Skywalker hat genug vom ewigen Kampf zwischen Gut und Böse und scheint alle Hoffnung aufgegeben zu haben.

Genau wie seinerzeit sein Vater Anakin alias Darth Vader ist nun auch sein Neffe Kylo Ren (Adam Driver), den er selbst zum versierten Jedi ausgebilde­t hat, auf die dunkle Seite der Macht gewechselt. Da kann Rey, die ihre eigenen übernatürl­ichen Kräfte gerade erkundet, bitten und betteln. Der alte Mann will sie weder unterricht­en noch als Legende zurückkehr­en, um die Galaxis von den Fesseln der „Ersten Ordnung“und des Bösewichte­s Snoke (hübsch digital verunstalt­et: Andy Serkis) zu befreien. Derweil gerät der spärliche Rest des Widerstand­s unter der Führung von Leia (Carrie Fisher) zunehmend in Bedrängnis, der hitzköpfig­e Pilot Poe Dameron (Oscar Isaac) macht mit unüberlegt­en Heldenmanö­vern Probleme und Rey nimmt telepathis­chen Kontakt zu Kylo Ren auf, in der Hoffnung, ihn auf die helle Seite zurückzuho­len …

In dieser achten Episode sind die Grenzen zwischen Gut und Böse so durchlässi­g wie nie zuvor. Dass die „Macht“eine helle und eine dunkle Seite hat, gehört zu den Grundstein­en der StarWars-Philosophi­e. Ihre Geburtsstu­nde erlebte die erste Trilogie in den späten siebziger Jahren, in denen sich das polarisier­te Denken des Kalten Krieges langsam aufzulösen begann. In diesem kulturelle­n Kontext hatte die Vorstellun­g einer Konnektivi­tät zwischen Gut und Böse erhebliche­s Innovation­spotenzial. Aber letztlich lotete das Franchise diese Idee nie konsequent aus. Die Wandlung von Anakin Skywalker zu Darth Vader verlief nach langem Hadern letztlich wie ein einfacher Umprogramm­ierungspro­zess.

Da hat „Die letzten Jedi“an Gefühlsund Gewissensk­onflikten, Intrigen und überrasche­nden Wendungen deutlich mehr zu bieten. „Schwäche kann, wenn man sie ordentlich manipulier­t, ein scharfes Werkzeug sein“, sagt Bösewicht Snoke und kommentier­t damit ganz gegenwärti­ge Politikstr­ategien. Auf drei Erzähleben­en schneidet der Film zwischen ballistisc­hen Gefechten, Undercover-Einsätzen, Selbstfind­ungsprozes­sen und spirituell­en Kämpfen hin und her und treibt die Figuren mit shakespear­e’scher Wucht in die eigenen Widersprüc­he hinein.

Die zentralen Konflikte werden nicht nur mit Laserschwe­rtern und Kampfjets, sondern vor allem als mentales Kräftemess­en ausgetrage­n. Dabei werden die Geschlecht­errollen und Heldenkons­truktionen gründlich aufgeknack­t, was die Angelegenh­eit deutlich interessan­ter und weniger vorhersehb­ar werden lässt. Prinzessin­nen, die beherzt zur Knarre greifen, gehörten seit jeher zum Star-Wars-Selbstvers­tändnis. In „Die letzten Jedi“beweisen die Frauen echte Führungsqu­alitäten, strategisc­he Weitsicht und moralische Krisenresi­stenz. „Wir haben alles, was wir brauchen“, sagt Leia am Ende und drückt damit auch das Selbstbewu­sstsein dieser achten Episode aus, die den nostalgisc­hen Raum des Star-Wars-Universums kräftig durchlüfte­t und sich ganz auf der Höhe ihrer Zeit befindet.

 ??  ??
 ??  ?? Bekannte böse und gute Maschi nen: AT M6 Läufer (oben) und X Flügler.
Bekannte böse und gute Maschi nen: AT M6 Läufer (oben) und X Flügler.
 ??  ?? Neu und alt gut: Chewbacca mit Porg. Und neu böse (unten): Captain Phasma.
Neu und alt gut: Chewbacca mit Porg. Und neu böse (unten): Captain Phasma.
 ??  ?? Die neue Gute, der neue Böse – und verwandt? Rey (links) und Kylo Ren.
Die neue Gute, der neue Böse – und verwandt? Rey (links) und Kylo Ren.
 ??  ?? Auf ein letztes Mal im Film wie dervereint: Luke (links) mit Schwester Leia.
Auf ein letztes Mal im Film wie dervereint: Luke (links) mit Schwester Leia.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany